»Die ›Ostmoderne‹, konkret die Moderne in der DDR, kann weder als bloßer Ableger des International Style verstanden werden, noch war sie in deutschen Traditionslinien oder sowjetischen Vorgaben gefangen.
In mehreren Schüben formte sich konfliktreich ein auf kollektive Bedürfnisbefriedigung ausgerichtetes Planungskonzept, das Anregungen der internationalen Avantgarde verarbeitete. Es zeichnete sich durch klare, oft rektanguläre räumliche Ordnungsstrukturen, einen hohen Stellenwert sozialer Einrichtungen und die Typisierung vieler Bauten aus.
Zu Wohn- und Gesellschaftsbauten in industrieller Bauweise, die der Ökonomie geschuldet war und in ihrer Vereinheitlichung zugleich ein egalitäres Ideal zum Ausdruck brachte, traten ausdrucksstarke Einzelentwürfe. Als Dominanten in den Stadtzentren oder Wohnbezirken sollten sie den Orten Charakter verleihen und einen Kontrapunkt zu Alltag setzen.
Wichtig als funktionelles und gestalterisch belebendes Element wurden vor allem Betonschalendächer, ob als Sonderprojekt, seriell in der HP-Schale oder im Industriebau das Schalenshed.
In der Produktionshalle des Milchhofs Berlin verband sich die Eleganz der schlanken Konstruktion mit der Sparsamkeitsprämisse der Montagebauweise; der großzügige Speisesaal steht für den sozialen Anspruch auch auf diesem Feld des Bauens.«
Andreas Butter, 28. Juli 2018
Der Komplex an der Berliner Romain-Rolland-Straße wurde als »VEB Milchhof Gross-Berlin« von 1958-1961 geplant und projektiert. Die Bauausführung erfolgte von 1961-1965.
Einen internen Wettbewerb gewann der Entwurf des VEB Hochbauprojektierung Schwerin. Architekt des Komplexes war Günter Graw. Die technologische Projektierung lag in den Händen von Harry Fritze. Für die Statik zeichnen Albert Richter und Willi Rieger verantwortlich. Das Eingangsbauwerk, die Waschanlage und die Garagen gestaltete Eva-Maria Hetzer. Innenarchitektur und Farbgestaltung lagen in den Händen von Günter Kawan. [Ostmoderne, 82]
Bereits im Jahr 2004, dem Erscheinungsjahr des Buches »Ostmoderne« und dem Aufnahmejahr unserer Fotos des Speisesaals/Verwaltungsgebäudes, war die einstige Produktionshalle mit dem aus Fertigteilen errichteten Sheddach Geschichte. Als Reminiszenz an dieses befinden sich auf dem Dach des jetzigen »Kaufland«-Gebäudes an der Ost- und Westseite je sechs Bögen, die die einstige Dachform aufnehmen.
Während mit Bau des Verbrauchermarktes »Kaufland« bereits die Produktionshalle, die Wasch- und Umkleideräume und die Hälfte des Speisesaales verschwanden, wichen im Jahr 2009 der noch verbliebene Rest des Speisesaals und das Verwaltungsgebäude einem Komplex aus weiteren Einzelhandelsgeschäften. 2016 wurden auch die Wasseraufbereitung und der Garagenhof abgerissen.
Mit dem Bildband »Stillgelegt - 100 verlassene Orte in Deutschland und Europa« präsentieren wir eine weitere Perspektive auf das Thema »Toter Ort« im VIMUDEAP-Kontext. Die drei Autoren Robert Conrad, Michael Täger und Thomas Kemnitz arbeiten seit Jahren erfolgreich im Projekt VIMUDEAP zusammen. Der großformatige Bildband entstand 2015 auf Initiative des DuMont Reiseverlages. Er ist im Herbst 2023 in seiner 3. überarbeiteten Auflage erschienen.
Seite aufrufen25 Jahre nach dem Mauerfall gelingt es der Serie des Berliner Fotografen Robert Conrad, das inzwischen verschwundene Symbol des Kalten Krieges mahnend wiederzuerrichten und Erinnerungen wachzurufen.
Seite aufrufenMit »VERGESSENE ORTE in Berlin und Brandenburg« ist im November 2019 im Mitteldeutschen Verlag ein Buch erschienen, daß man zweifelsohne als weiters VIMUDEAP-Buch bezeichnen kann.
In seinem Bild-Text-Band erzählt der Architekturfotograf, Bauhistoriker und VIMUDEAP-Autor Robert Conrad eine Geschichte des 20. Jahrhunderts in der Region Berlin-Brandenburg.
Eine Auflistung unserer Präsentationen, Vorträge, Interviews ... sowie der Medienberichte über uns.
Seite aufrufenDie Online-Ausstellung ist ein Plädoyer für den Erhalt der baugebundenen Kunst der DDR! Wir zeigen 40 Fotografien des Cottbusser Architekten und Fotografen Martin Maleschka, die als Bildpaare und Einzelbilder präsentiert werden. Sie zeigen 20 baugebundene Kunstwerke verschiedener Techniken und aus unterschiedlichen Materialien aus 16 Städten der ehemaligen DDR.
Seite aufrufenDie erste VIMUDEAP Onlineausstellung bestreitet der Londoner Künstler Angus Boulton. Mit seinem Werk »41 Gymnasia« erinnern wir an den 20. Jahrestag des Abzuges der Sowjetischen Truppen aus Deutschland.
Seite aufrufenDie verlassene sowjetische Bergarbeiterstadt »Pyramiden« auf der arktischen Insel Spitzbergen ist für die Norweger Elin Andreassen, Hein Bjerck und Bjørnar Olsen in ihrem Projekt RUINMEMORIES Gegenstand archäologischer Forschungen und Reflexionen zum Thema »Moderne Ruinen«.
Wir freuen uns, Ausschnitte ihrer Arbeit als weitere Perspektive auf das Thema »ungenutzte Architektur« präsentieren zu können!
Vor 30 Jahren ereignete sich am Block 4 des Kernkraftwerks Tschernobyl der bisher schlimmste Atomunfall der Zivilisationsgeschichte, der bis heute tausende Menschenleben forderte. Während weiterhin versucht wird, den Unglücksreaktor mit schützenden Hüllen zu umgeben, konserviert die einstige Schlafstadt »Prypjat« ihren damaligen Zustand beharrlich. Die Bilder von Michael Täger geben diesen ausschnitthaft und in beeindruckender Art und Weise wieder.
Seite aufrufenDer Schulkomplex auf dem Großen Ziegenberg in Ballenstedt hat als Ort der Elitenbildung eine Geschichte als »Staatliche Nationalpolitische Bildungsanstalt - Ballenstedt« (»Napobi Ballenstedt«, später »NPEA Anhalt in Ballenstedt«) und als »Bezirksparteischule ›Wilhelm Liebknecht‹ der SED-Bezirksleitung Halle«. Der Beitrag präsentiert die im Jahr 2010 entstandenen Aufnahmen und skizziert die Nutzungs- und Baugeschichte.
Seite aufrufenDie Inhalte der in den Jahren 2005/2006 von uns produzierten und in der Edition Vimudeap erschienenen CD/DVD zur untertägigen Anlage »Malachit/Komplexlager 12« wurden im Jahr 2014 remastered. Für die Präsentation innerhalb des Virtuellen Museums der Toten Orte wurden die Einzelbilder, 360° Rundblicke und interaktiven Karten neu aufbereitet.
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Das 2004 anläßlich der gleichnamigen Ausstellung erschienene Buch »Ostmoderne - Architektur in Berlin 1945-1965« von Andreas Butter und Ulrich Hartung half mir persönlich nicht nur, die mich umgebenden Bauten einzuordnen oder das eine oder andere Objekt für das VIMUDEAP-Projekt zu dokumentieren - nein, es formte auch erstmalig den inzwischen gebräuchlichen Begriff der Ostmoderne als eigene Kategorie der Nachkriegsmoderne.
Ich bedanke mich bei den beiden »Ostmoderne«-Autoren für die Unterstützung! Es freut mich, dass Andreas Butter für diesen Beitrag den Begriff »Ostmoderne« nochmals definiert und das hier vorgestellte Objekt in diesen Kontext setzt.
Thomas Kemnitz, 23. August 2018