Kraftwerk Vogelsang Fürstenberg

Eigentlich ging es beim Besuch der Stadt Eisenhüttenstadt im Februar 2000 mehr um die Suche nach der Ur-DDR-Stadt ... Zu den Ergebnissen dieser Suche vielleicht an anderer Stelle etwas mehr.

Jedenfalls ragten nördlich der Stadt zwei Schornsteine aus dem Wald, deren Dimension nicht auf einen DDR-Bau schliessen liessen. Und tatsächlich - der erste Blick lieferte einen zwischen einer Müllkippe und einer Laubenpieperkolonie gelegenen Kraftwerksrohbau. Nur ca. 100m von der Oder entfernt träumt ein scheinbar nicht fertiggestellter Energie-Koloss immer noch vor sich hin. Die Einschüsse aus östlicher Richtung in den beiden Schornsteinen lassen darauf schliessen, dass das Kraftwerk schon stand, als man hier noch geschossen hat (Ende WK2).

Die Anlage selbst wurde schon teilweise abgerissen, was aus den dort vorhandenen Beton-Trümmern geschlossen werden kann. Die Grundstruktur ist noch erkennbar: Kohlebunker, Turbinen- und Generatorenhallen, Stromkabel für Laufkatzen, ... .
Jedenfalls bestehen zwischen den einzelnen Kraftwerkskomponenten unterirdische Verbindungen, die zum ‚Stoffwechsel' genutzt wurden.

Auf dem Gelände befinden sich weiterhin zwei notdürftig gemauerte flache Gebäude, die auch eine provisorische Einrichtung besitzen. Dem ersten Eindruck nach die Unterkunft von Obdachlosen. Da diese aber kaum die Gebäude gebaut haben dürften, gibt ein Verbotsschild am Zaun etwas mehr Aufklärung: „Grenze des Ausbildungsgeländes“ heißt es da. Wer hat hier - wen - wann - wozu - worin - ausgebildet?

Thomas Kemnitz,  01.03.2000

Auf dem Gelände des Kraftwerkes und im Gebäude wurde in den 70er Jahren das THW des Ostens ausgebildet, die Zivilverteidigung, das wurde auf Fotos widerlegt.

rs0911,  19.07.2002

Hallo rs0911,
was wurde widerlegt? Möglicherweise meinen Sie ja belegt? Wenn es Fotos gibt, einfach mal mit dem Upload-Tool schicken. Vielleicht kann man die ja einbauen.

Thomas Kemnitz,  22.07.2002

Das Kraftwerk Fürstenberg gehörte der Märkischen Elektrizitätswerken (MEW) welche nach dem Krieg enteignet wurden. Das Kraftwerk war Ende 1944 fast baulich fertig und sollte neben Finkenherd bei Frankfurt (Oder) den Grossraum Lebuser Vorland bis Schwiebus mit Energie versorgen. Die Einschläge an den Türmen stammen angeblich vom Stuka-Beschuß zur Phase der Oder- überquerung der Roten Armee, die restlichen "Verunstaltungen" resultieren nur im geringen Maße aus der DDR-Zivilverteidigung, die die Anlage zu Ausbildungszwecken nutzte. Eher auf Nachwende- versuche die Anlage ohne Geld zu beseitigen, was guter Beton nach 40 Jahren Aushärtung, natürlich mit einem sinnbildlichen Lächeln honoriert.

Peter Rentsch,  28.03.2001

Im Rahmen meiner Grundausbildung beim Wachregiment 'F. Dzierzynski' haben wir der Fuehrungsebene der BV MfS Ffo im September/Oktober 1989 am Kraftwerk eine 'Showvorstellung' in Sachen Haeuserkampf geboten, mit Platzpatronen, Uebungshandgranaten und Strickleitern und allem Drum und Dran. Wir hatten super Wetter und es war eine willkommene Abwechslung fuer uns.

lars,  09.02.2004

Streift man heute entlang der Oder, stellt man sich vielleicht ganz unbedarft die Frage, »wer baut denn hier an der Grenze ein Kraftwerk«. Ja, aus heutiger Sicht eine berechtigte Frage, vor der Kapitulation 1945 und in Erkenntnis der früheren Grenzen des Deutschen Reiches, lag das geplante M.E.W. Kraftwerk in einem aufstrebenden Industrierevier, das gekennzeichnet war, durch zunehmende Energieknappheit. Das geplante Kraftwerk hatte sich auf Grund der Planungen im Deutschen Reich, bekannt als Bevollmächtigter für den 4-Jahresplan, in die abgestimmten Planungen für Energieerzeugende Projekte einzufügen und der geplante Bau musste angezeigt, beantragt u. anschliessend über etliche Ebenen »freigegeben« werden. So hatten natürlich ab 1939, auch Reichsluftwaffe, Wehrmacht, Heeresinteressen, Truppenübungsplätze berücksichtigt zu werden. Zudem mussten sich Art, Leistungserzeugung, Energieabgabe in bestehende oder geplante Netze oder in geplante Freileitungstrassen gleichartiger Abgabespannung einzufügen. Der Bereich der Textilindustrie im Raum Guben/Forst galt genauso energiehungrig, wie der Industrieraum Frankfurt (Oder) oder aber durch den geplanten Bau des Degussa-Werkes bei Fürstenberg (Oder), entstanden ggf. Versorgungsengpässe. So ein Kraftwerk lässt sich nicht in einigen Wochen errichten, daher hatte die M.E.W. ein umfangreiches Beantragungsprogramm zu absolvieren.

Der Begriff Einheitskraftwerk resultiert aus der Tatsache, dass diese vorprojektierte Sorte Kraftwerk, wie eine Art Typprojekt oder »Wiederverwendungsprojekt« an verschiedenen Standorten wiederverwedet werden sollte, ohne den Typ neu zu projektieren, wenn das Grundprojekt schon als abgenommen galt.

Zentraler Ansprechpartner in allen Abstimmungsfragen war in der Phase der Beantragung/Genehmigung für alle Energieerzeuger, so sie im öffentlichen Netz Energie bezogen oder abgaben, der Generalinspektor für Wasser und Energie, mit Sitz Pariser Platz 3, in Berlin.

Am 15.02.1943 bestätigte/genehmigte der G.I. den Bau des Kraftwerkes bei Vogelsang/Fürstenberg (Oder).

Die späteren Betreiber, also das M.E.W. (Märkisches Elektrizitätswerk AG) führten den Bau aber nicht als Einheitskraftwerk, sondern als Einheits-Dampfkraftwerk unter dem Kürzel: Bauvorhaben 7574.

Eingeordnet war das Kraftwerk in den (allen Vorhaben) zusammenfassenden
Plan: »Wärmekraft-Sofortprogramm des G.I. für Wasser und Energie«.

An der Entscheidungsfindung zum Bau, der Genehmigung des Baus, Standortfindung, Eckpunkte der Genehmigung, Leitungsanschlüsse, Wasserversorgung, Strassenanbindung, Arbeitskräftefragen, Belieferung mit Kohle oder Steinkohle und viele weitere Fragen, waren ein ganzer Stab wichtiger Entscheider beteiligt, die alle in die Verfahren der Genehmigung eingebunden werden wollten (und mussten).

Dazu gehörte(n)
1. der Oberpräsident der Provinz Mark Brandenburg
2. der Probinzialwirtschaftsberater
3. die Verwaltung des brandenburgischen Provinzialverbandes
4. der Generalinspektor
5. die Reichsbahndirektion Ost
6. die Wasserstraßendirektion
7. das Wasserwirtschaftsamt und weitere Positionen bis zur laufenden Nummer 21

Im August 1943 genehmigte das OKW den Bau von 4 Einheitskraftwerken,
a) wie benannt Fürstenberg (Regierungsbezirk Brandenburg)
b) Trattendorf (Regierungsbezirk Brandenburg
c) Kraftwerk Walter (Regierungsbezirk Kattowitz)
d) Kraftwerk Wilhelm (Regierungsbezirk Kattowitz)

Mit der übergreifenden O.K.W. (Oberkommando der Wehrmacht) Genehmigung waren auch alle Fragen des baulichen Luftschutzes, der Höhe der Abgastürme, der Hallen u. Turbinenhausgestaltung, geprüft u. genehmigt worden. Diese Arbeiten entfielen dann immer auch, wenn die entsprechende Genehmigungsnummer verwendet wurde, für geplante, weitere Bauten.

Im ersten Ausbau (vermutlich war geplant den Standort später noch zu erweitern oder einen weiteren Block zu bauen, aber da war der weitere Verlauf des 2. Weltkrieges noch nicht in aller Konsequenz absehbar) war genehmigt worden:
4 Bensonkessel,
2 Gegendruckturbinen,
2 Stromerzeuger (Generatoren),
2 Kondensationsturbinen,
2 Stromerzeuger,
2 Maschinenumspanner 116 kV
2 Maschinenumspanner 116 kV
2 Eigenbedarfsumspanner 105 kV
und eine Freiluftschaltanlage mit 18 Schaltfeldern.

Einspeisen sollte das Kraftwerk in die Freileitungstrassen nach DEICHOW, über Ziltendorf nach Guben, Finkenherd und in die 220 kV Leitungen nach Ludwigsfelde.

In der ersten Ausbaustufe sollte das »Einheits-Dampfkraftwerk Fürstenberg (Oder)« eine Leistung von 150 MW erwirtschaften. Dazu hatten die 4 Benson-Dampfkessel einen Druck von 140 atü Betriebsdruck, bei 500° C und einer Dauerleistung von je 145 Tonnen je Stunde bereitzustellen. Das erforderte natürlich eine bevorzugte Lage an einem ertragreichen Fluss, sowohl für die Dampferzeugung, als auch für die Kühlung des Prozesswassers.

Peter Rentsch,  20.02.2020

Die Planung sah vor, daß die wesentlichen Arbeiten an der Gebäudehülle, den Kohleförderanlagen, der Wasserzuführung und der Wasserabgabe in die Oder Ende 1944 fertiggestellt sein würden. Eine Inspektion stellte einen ungefähren Gleichstand der Arbeiten an den Kraftwerken Fürstenberg, Trattendorf und Berzdorf fest. An das Netz gehen sollten die Kraftwerke im April/ Mai 1945.

Das dürfte sich für Kattowitz und Fürstenberg allerdings auf Grund des Frontverlaufes im II.-WK dann zeitlich auch erledigt haben. Der Autor denkt, dass auch die vollständige innere Ausstattung im Winter 1944/ 1945 nicht mehr abgeschlossen wurde.

Peter Rentsch,  20.02.2020

Der Energiemangel erfordert in beschleunigtem Maße den Aus-u. Aufbau von Kraftwerken. Von besonderer Bedeutung ist hierbei die Möglichkeit, vorhandene Bauten auszunutzen. Im Bereich der Deutschen Demokratischen Republik war ursprünglich vorgesehen, und zwar:

Havelberg, Berlin-Havel, auf Steinkohlebasis, auf Braunkohlenbasis Vogelsang (Fürstenberg (Oder), Lübbenau, Trattendorf, Berzdorf.

Die auf Steinkohlenbasis errichteten EKW schalten für die weitere Betrachtung aus. Soweit eine kurze Analyse. Der Autor vermutet, dass die nicht weiter forcierte Betrachtung der Einheitskraftwerke, die mit Steinkohlenbefeuerung projektiert waren, deshalb erfolgte, weil die DDR über keine adäquaten Steinkohlenvorräte verfügte, um in breiter Anwendung, Kraftwerke zu betreiben.

Aussehen der Einheitskraftwerke:
Der Aufbau der Einheitskraftwerke entsprach dem Typprojekt Vogelsang = Fürstenberg (Oder). Diese war dadurch gekennzeichnet, dass an einen bestehenden Kraftwerkstrakt, ein weiterer Trakt angebaut werden konnte, so dass zwei Kraftwerksteile mit einer Leitwarte zusammenarbeiten konnten. In Vogelsang ist mit der Ausbaustufe 1 nur ein Halbtrakt entstanden. Wenn geplant war, das Einheitskraftwerk in der Zukunft zu erweitern, musste die Leitwarte mittig, zwischen den beiden Trakten befindlich, gebaut werden. So gesehen war ein Kraftwerk, vor selbigem stehend, immer nach rechts um einen Block erweiterbar.

Die Warte war dann immer Mittig positioniert und versorgte beide Halbtrakte mit den notwendigen Steuersignalen.

Ein Halbtrakt des Einheitskraftwerkes war für die Erzeugung von 150 MW konzipiert. Im Vollausbau mit zwei Trakten konnte das EKW also 300MW Leistung abgeben.

Das Kesselhaus war als „Bunkerschwerbau“ projektiert. Darin befanden sich 4 „Strahlungskessel“ für 160 t/h maximaler Dauerleistung. Der Kohlebunker verfügte über „nur“ einen Vorrat an Heizmaterial für 12 Stunden, konnte aber durch seine Bauart daher sehr flach und ohne gesonderte Tragkonstruktion gehalten werden. Er diente aus Luftschutzgründen zugleich als Splitterwand zu den Hallen.

Das Kraftwerksprojekt war den Bedingungen der Kriegsjahre 1939- 1945 angepasst. War also kraftwerkstechnisch eher eine Notlösung, in der projektierten Größe, dem Bauaufwand, den verbauten Materialien, den eher gedrungenen Bauweisen. Deutlich wurde das an der, für ein Kraftwerk eher niedrigen Bauweise, was die Leistungsfähigkeit eher begrenzte, weil eben nur kleinere Kesselanlagen verbaut wurden. Zudem war das baulich erkennbar an der dreifach abgesicherten, mechanischen Bekohlungsanlage, den sprengtechnisch, bunkeratig soweit heruntergezogenen Umbauungen, dass für das Kesselhaus ein geschützter Bereich entstand, der gedrungenen Bauweise des Maschinenhauses, die Trennung der Wasserversorgung in einem gesonderten Bauwerk.

Die später in der DDR projektierten Einheitskraftwerke hatten daher etwas andere Grundlagen im bau und der Anordnung der Aggregate.

Ursprünglich für den Ausbau als Kraftwerk waren wegen der Anlagen der Energieerzeugung dann nur noch die auf Braunkohlebasis schon projektierten Werke in Vogelsang, Trattendorf und Berzdorf.

Stand 03-2020 Peter Rentsch

Peter Rentsch,  29.02.2020

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