Kant-Garagenpalast, Berlin-Charlottenburg
In den prosperierenden 1920er Jahren entschied sich der Kaufmann Louis Serlin, in ein „Auto-Hotel“ für wohlhabende Kraftwagenbesitzer im gutbürgerlichen Berliner Westen zu investieren.
Trotz der beginnenden Weltwirtschaftskrise erwies sich das Projekt als wirtschaftlicher Erfolg. Das beauftragte Architekturbüro Lohmüller Korschelt & Renker gab die Planungsarbeiten an die Bürogemeinschaft Hermann Zweigenthal und Richard Paulick weiter. Die jungen, ehrgeizigen Architekten, beide vorher Schüler von Hans Poelzig an der Technischen Hochschule Berlin, entwarfen unter der Leitung von Zweigenthal einen modernen funktionalen Stahlbetonskelettbau mit großflächig verglasten Vorhangfassaden, ähnlich wie bei dem wenige Jahre zuvor entstanden Bauhausgebäude in Dessau. Der Erschließung der einzelnen Geschosse mit abschließbaren Garagenboxen und Waschplätzen mit Warmwasserversorgung über einem Tankstellen- und Werkstattbereich im Erdgeschoss dienten zwei platzsparende Spiralrampen in Form einer Doppelhelix, die es ermöglichen, dass sich auf- und abwärts fahrende Autos nicht begegnen.
Nach einem Jahr Bauzeit wurde das mondäne Parkhaus 1930 mit dem Deutschen Auto-Club als Hauptmieter und der DAPOLIN-Shell-OLEX-Gesellschaft als Tankstellenpächter eröffnet. Für das spektakuläre Gebäude, nach seinem Bauherrn auch Serlin-Rampenhaus genannt, wurden 1932 im Rahmen der Internationalen Bauausstellung sogar Führungen angeboten. Die hohe Auslastung machte 1936 bis 1937 die Aufstockung um ein Geschoss erforderlich, ausführende Firma war die Siemens-Bauunion.
Nach der Machtübernahme des NS-Regimes emigrierte Hermann Zweigenthal 1933 in die USA, während Louis Serlin sein Anwesen mit der Garagenpalast-Betriebs-Gesellschaft mbH noch bis 1939 bewirtschaftete, ehe er durch „Arisierung“ enteignet wurde und ebenfalls aus Deutschland fliehen musste. Nach 1945 erhielt er sein Eigentum zurück und behob bis etwa 1947 die Kriegsschäden am Gebäude. Auch nach dem Verkauf an eine Immobilienfirma 1961 wurde die Nutzung in den folgenden Jahrzehnten fortgesetzt. Zu den Mietern gehörten neben Taxiunternehmen und Gebrauchtwagenhändlern zwischendurch auch die Rote Armee Fraktion und der DDR-Staatssicherheitsdienst.
Die aufgrund der kontinuierlichen Nutzung weitgehend original überkommene Bausubstanz dieser ältesten erhaltenen Hochgarage Europas mit doppelgängiger Wendelrampe wurde 1992 unter Denkmalschutz gestellt. Die Anlage gilt als Schlüsselbau der Verkehrsarchitektur der Klassischen Moderne in der Weimarer Republik.
Derzeit erfolgen Sanierung und behutsame Umbauten für eine geplante Büro- und Eventnutzung durch einen neuen Eigentümer in Absprache mit dem Landesdenkmalamt.
Robert Conrad, November 2020
- Hauptfassade an der Kantstraße. Aufnahmedatum: 29.12.2016. © Robert Conrad. → Kant-Garagenpalast, Berlin-Charlottenburg, Bildnummer: 9030, geladen am: 21.11.2020.
- Vollverglaste Hoffassade nach Süden mit Kfz-Ausfahrt zum Hof und Außentreppe. Aufnahmedatum: 10.12.2016. © Robert Conrad. → Kant-Garagenpalast, Berlin-Charlottenburg, Bildnummer: 9032, geladen am: 21.11.2020.
- Vollverglaste Vorhangfassade im Stil der Klassischen Moderne an der Stadtbahntrasse. Aufnahmedatum: 10.12.2016. © Robert Conrad. → Kant-Garagenpalast, Berlin-Charlottenburg, Bildnummer: 9033, geladen am: 21.11.2020.
- Spiralrampe für die Auffahrt zu den Obergeschossen. Aufnahmedatum: 10.12.2016. © Robert Conrad. → Kant-Garagenpalast, Berlin-Charlottenburg, Bildnummer: 9034, geladen am: 21.11.2020.
- Auffahrt zum zweiten Obergeschoss. Aufnahmedatum: 10.12.2016. © Robert Conrad. → Kant-Garagenpalast, Berlin-Charlottenburg, Bildnummer: 9035, geladen am: 21.11.2020.
- Spiralrampe für abwärts fahrende Wagen.. Aufnahmedatum: 10.12.2016. © Robert Conrad. → Kant-Garagenpalast, Berlin-Charlottenburg, Bildnummer: 9036, geladen am: 21.11.2020.
- Lagerraum an der aufwärts führenden Spiralrampe. Aufnahmedatum: 10.12.2016. © Robert Conrad. → Kant-Garagenpalast, Berlin-Charlottenburg, Bildnummer: 9037, geladen am: 21.11.2020.
- Aufwärts führende Spiralrampe mit rutschfestem Keramikbelag. Aufnahmedatum: 10.12.2016. © Robert Conrad. → Kant-Garagenpalast, Berlin-Charlottenburg, Bildnummer: 9038, geladen am: 21.11.2020.
- Waschplatz für Pkws im Auge der Spiralrampe. Aufnahmedatum: 10.12.2016. © Robert Conrad. → Kant-Garagenpalast, Berlin-Charlottenburg, Bildnummer: 9039, geladen am: 21.11.2020.
- Abwärts führende Spiralrampe mit Ausfahrt vom Parkdeck im vierten Obergeschoss. Aufnahmedatum: 10.12.2016. © Robert Conrad. → Kant-Garagenpalast, Berlin-Charlottenburg, Bildnummer: 9040, geladen am: 21.11.2020.
- Ausfahrt vom Parkdeck im dritten Obergeschoss zur abwärts führenden Spiralrampe. Aufnahmedatum: 10.12.2016. © Robert Conrad. → Kant-Garagenpalast, Berlin-Charlottenburg, Bildnummer: 9041, geladen am: 21.11.2020.
- Parkdeck mit abschließbaren Mietgaragen. Aufnahmedatum: 10.12.2016. © Robert Conrad. → Kant-Garagenpalast, Berlin-Charlottenburg, Bildnummer: 9042, geladen am: 21.11.2020.
- Zwei der Garagenboxen mit originalen Schiebetoren der Firma Paul Heinrichs, Berlin-Tempelhof. Aufnahmedatum: 10.12.2016. © Robert Conrad. → Kant-Garagenpalast, Berlin-Charlottenburg, Bildnummer: 9043, geladen am: 21.11.2020.
- Parkdeck im dritten Obergeschoss mit originalen Schiebetoren der Firma Paul Heinrichs, Berlin-Tempelhof. Aufnahmedatum: 10.12.2016. © Robert Conrad. → Kant-Garagenpalast, Berlin-Charlottenburg, Bildnummer: 9049, geladen am: 21.11.2020.
- Feuerschutztür zu einem der Treppenhäuser. Aufnahmedatum: 10.12.2016. © Robert Conrad. → Kant-Garagenpalast, Berlin-Charlottenburg, Bildnummer: 9044, geladen am: 21.11.2020.
- Aufwärts führende Spiralrampe mit verglaster Vorhangfassade. Aufnahmedatum: 10.12.2016. © Robert Conrad. → Kant-Garagenpalast, Berlin-Charlottenburg, Bildnummer: 9046, geladen am: 21.11.2020.
- Notfallschrank für Feuerlöscharbeiten. Aufnahmedatum: 10.12.2016. © Robert Conrad. → Kant-Garagenpalast, Berlin-Charlottenburg, Bildnummer: 9047, geladen am: 21.11.2020.
- Drahtglasfenster und Eisenrahmen der Vorhangfassade an der Spiralrampe. Aufnahmedatum: 10.12.2016. © Robert Conrad. → Kant-Garagenpalast, Berlin-Charlottenburg, Bildnummer: 9052, geladen am: 21.11.2020.
- Einfahrt zu einem der Waschplätze an der nach oben führenden Spiralrampe. Aufnahmedatum: 10.12.2016. © Robert Conrad. → Kant-Garagenpalast, Berlin-Charlottenburg, Bildnummer: 9045, geladen am: 21.11.2020.
- Treppenhaus B zwischen den einzelnen Parkdecks. Aufnahmedatum: 10.12.2016. © Robert Conrad. → Kant-Garagenpalast, Berlin-Charlottenburg, Bildnummer: 9050, geladen am: 21.11.2020.
- Ausgang des Treppenhauses B zur Haupteinfahrt. Aufnahmedatum: 10.12.2016. © Robert Conrad. → Kant-Garagenpalast, Berlin-Charlottenburg, Bildnummer: 9051, geladen am: 21.11.2020.
- Hoffassade nach Westen im Blockinnenbereich mit gestaffelten Gebäudekuben und verglastem Mansarddach. Aufnahmedatum: 10.12.2016. © Robert Conrad. → Kant-Garagenpalast, Berlin-Charlottenburg, Bildnummer: 9048, geladen am: 21.11.2020.
Dieses und weitere 36 Objekte finden Sie im Bild-Text-Band »VERGESSENE ORTE in Berlin und Brandenburg« des Architekturfotografen, Bauhistorikers und VIMUDEAP-Autors Robert Conrad.
Blick ins Buch → VIMUDEAP.info/vergessene-orte
- Dieses Objekt und 36 weitere finden Sie im Bild-Text-Band von Robert Conrad VERGESSENE ORTE in Berlin und Brandenburg Mitteldeutscher Verlag, 2019. 240 Seiten, broschur, 21x26 cm. ISBN 978-3-96311-134-1. 25,00 €. Aufnahmedatum: 06.12.2019. © Thomas Kemnitz. → Kant-Garagenpalast, Berlin-Charlottenburg, Bildnummer: 9086, geladen am: 24.11.2020.
Für die Dauerausstellung »Zwangsarbeit für den Krieg. Die Pulverfabrik Liebenau 1939-1945.« der Gedenk- und Bildungsstätte Liebenau wurde die Virtual Reality Anwendung »Pulverfabrik 360°« erstellt.
Im Mittelpunkt der Ausstellung steht die Geschichte des Werkes und der Menschen, die unfreiwillig dort arbeiteten und in großer Zahl ums Leben kamen.
Mit der VR-Anwendung ist es möglich, die Ruinen der einstigen Produktionsgebäude in ihrem heutigen Zustand per VR-Brille im Kontext ihrer einstigen Nutzung zu betrachten.
Mit dem Bildband »Stillgelegt - 100 verlassene Orte in Deutschland und Europa« präsentieren wir eine weitere Perspektive auf das Thema »Toter Ort« im VIMUDEAP-Kontext. Die drei Autoren Robert Conrad, Michael Täger und Thomas Kemnitz arbeiten seit Jahren erfolgreich im Projekt VIMUDEAP zusammen. Der großformatige Bildband entstand 2015 auf Initiative des DuMont Reiseverlages. Er ist im Herbst 2023 in seiner 3. überarbeiteten Auflage erschienen.
Seite aufrufen25 Jahre nach dem Mauerfall gelingt es der Serie des Berliner Fotografen Robert Conrad, das inzwischen verschwundene Symbol des Kalten Krieges mahnend wiederzuerrichten und Erinnerungen wachzurufen.
Seite aufrufenMit »VERGESSENE ORTE in Berlin und Brandenburg« ist im November 2019 im Mitteldeutschen Verlag ein Buch erschienen, daß man zweifelsohne als weiters VIMUDEAP-Buch bezeichnen kann.
In seinem Bild-Text-Band erzählt der Architekturfotograf, Bauhistoriker und VIMUDEAP-Autor Robert Conrad eine Geschichte des 20. Jahrhunderts in der Region Berlin-Brandenburg.
Eine Auflistung unserer Präsentationen, Vorträge, Interviews ... sowie der Medienberichte über uns.
Seite aufrufenIn unserem kleinen Spreadshirt-Shop können Sie eine Kapuzenjacke mit dem VIMUDEAP Logo zum Herstellungspreis bestellen.
Externen Link öffnenDie Online-Ausstellung ist ein Plädoyer für den Erhalt der baugebundenen Kunst der DDR! Wir zeigen 40 Fotografien des Cottbusser Architekten und Fotografen Martin Maleschka, die als Bildpaare und Einzelbilder präsentiert werden. Sie zeigen 20 baugebundene Kunstwerke verschiedener Techniken und aus unterschiedlichen Materialien aus 16 Städten der ehemaligen DDR.
Seite aufrufenDie erste VIMUDEAP Onlineausstellung bestreitet der Londoner Künstler Angus Boulton. Mit seinem Werk »41 Gymnasia« erinnern wir an den 20. Jahrestag des Abzuges der Sowjetischen Truppen aus Deutschland.
Seite aufrufenDie verlassene sowjetische Bergarbeiterstadt »Pyramiden« auf der arktischen Insel Spitzbergen ist für die Norweger Elin Andreassen, Hein Bjerck und Bjørnar Olsen in ihrem Projekt RUINMEMORIES Gegenstand archäologischer Forschungen und Reflexionen zum Thema »Moderne Ruinen«.
Wir freuen uns, Ausschnitte ihrer Arbeit als weitere Perspektive auf das Thema »ungenutzte Architektur« präsentieren zu können!
Vor 30 Jahren ereignete sich am Block 4 des Kernkraftwerks Tschernobyl der bisher schlimmste Atomunfall der Zivilisationsgeschichte, der bis heute tausende Menschenleben forderte. Während weiterhin versucht wird, den Unglücksreaktor mit schützenden Hüllen zu umgeben, konserviert die einstige Schlafstadt »Prypjat« ihren damaligen Zustand beharrlich. Die Bilder von Michael Täger geben diesen ausschnitthaft und in beeindruckender Art und Weise wieder.
Seite aufrufenDer Schulkomplex auf dem Großen Ziegenberg in Ballenstedt hat als Ort der Elitenbildung eine Geschichte als »Staatliche Nationalpolitische Bildungsanstalt - Ballenstedt« (»Napobi Ballenstedt«, später »NPEA Anhalt in Ballenstedt«) und als »Bezirksparteischule ›Wilhelm Liebknecht‹ der SED-Bezirksleitung Halle«. Der Beitrag präsentiert die im Jahr 2010 entstandenen Aufnahmen und skizziert die Nutzungs- und Baugeschichte.
Seite aufrufenDie Inhalte der in den Jahren 2005/2006 von uns produzierten und in der Edition Vimudeap erschienenen CD/DVD zur untertägigen Anlage »Malachit/Komplexlager 12« wurden im Jahr 2014 remastered. Für die Präsentation innerhalb des Virtuellen Museums der Toten Orte wurden die Einzelbilder, 360° Rundblicke und interaktiven Karten neu aufbereitet.
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