VEB Isokond Berlin
Der Begriff »Unterwelt« steht weithin nicht einfach für etwas, was sich unter der Erde befindet. Vielmehr knüpfen sich an ihn u.a. unsere Vorstellungen vom Geheimnisvollen, Unbekannten, Dunklen und in der Regel auch vom Bedrohlichem - nicht zuletzt soll ja auch der Teufel unter der Erde wohnen.
Auch wenn sich am Standort selbst keine unterirdischen Bauten befinden, führt die 100-jährige Geschichte des Standortes direkt in die dunkelsten Teile unserer postindustriellen Welt.
Seit 1907 wurden auf dem Areal Produkte der Elektroindustrie, vorwiegend Kondensatoren, hergestellt. Das spätere VEB Isolierstoff- und Kondensatorenwerk (Isokond) Berlin-Weißensee stellte in erster Linie Großkondensatoren für Elektrolokomotiven her. Als Kombinatsbetrieb des alleinigen Herstellers von Elektrolokomotiven in der DDR, dem VEB Lokomotivbau Elektrotechnische Werke "Hans Beimler" (LEW) Hennigsdorf, hatte das Berliner Werk einen entsprechenden Produktionsausstoss. Gemessen an der Tatsache, dass zur Herstellung von solchen Leistungskondensatoren jede Menge polychlorierte Biphenyle (PCB) und leichtflüchtige chlorierte Kohlenwasserstoffe (LCKW) [siehe Begriffe] genutzt wurden, wundert es nicht, dass die Berliner Umweltbehörden zu Beginn des 21. Jahrhunderts auf die bedenkliche Verunreinigung des Berliner Grundwassers hinweisen.
Es wird schnell gehandelt und die Hauptproduktionshalle abgerissen. Umfangreiche Anlagen zur Grundwasser- und Bodenluftreinigung werden installiert. Bis ins Jahr 2006 verschlang das Projekt fast 5 Millionen (!) Euro. Es wurden dabei Schadstoffe im zweistelligen Tonnen-Bereich ausgetragen.
Das Bild Isokond 05, mit dem auf der bereinigten Fläche errichteten LIDL-Markt im Hintergrund, führt durch eine aufgebrochene Hallenwand über eine riesige offene Ölwanne direkt in den »Kosmos«.
Ein richtiger Kosmos mit den entsprechenden Installationen! Die perfekte Kulisse für Kubricks Mondlandung von Apollo 11 - wäre da nicht das Trafo-Öl-Loch, das wieder in die »Unterwelt« führt, und auf die einstige Nutzung der im Raum befindlichen Anlagen verweist: eine Hochspannungs-Prüfanlage.
Auch wenn das Werk vermutlich keine eigene Entwicklungsabteilung besaß (die wenigen Büroräume wurden gut und gerne mit Verwaltungspersonal gefüllt), ist vorstellbar, dass mit dieser Anlage die Durchschlagsfestigkeit und andere technische Parameter der einzelnen Produkte/Baureihen bestimmt wurden. Die Größe der Anlage resultiert aus dem Produkt »Leistungskondensator« selbst: hohe Spannungen oder/und Ströme mussten umgesetzt werden.
Mit Hilfe von www.stadtentwicklung.berlin.de konnten folgende Begriffe geklärt werden:
PCB - Polychlorierte Biphenyle
Das heute verbotene PCB wurde zum Beispiel in Kondensatoren, Transformatoren, in Hydrauliköl, in Lacke, Harze, Kunststoffe, Druckerfarben, Klebstoffe und in dauerhaft elastische Dichtungsmassen eingesetzt. PCB reichert sich über die Nahrungskette an und kann bei langfristiger Aufnahme zu Leber-, Milz- und Nierenschäden führen.
LCKW - Leichtflüchtige chlorierte Kohlenwasserstoffe
Eine Gruppe von oft stark gesundheitsschädlichen in der Natur nicht vorkommenden Stoffen, die z.B. für Reinigungszwecke verwendet wird (z.B. Tetrachlorethen, Vinylchlorid).
Grundwasserleiter
Gesteinskörper, der geeignet ist, Grundwasser aufzunehmen und weiterzuleiten.
[1] www.stadtentwicklung.berlin.de/umwelt/bodenschutz/de/
nachsorge/isokond.shtml
[2] strassenfeger.org/strassenfeger/ausgabe_2005-17/0003/
[3] www.landesarchiv-berlin.de
[4] D. Lorenz, Abbuch einer ehemaligen Kondensatorenfabrik in Berlin, Tiefbau, H. 3/2003, S. 176-178, Berlin 2003.
Auch an dieser Stelle wieder der fast schon obligatorische Aufruf an alle Fachleute und ehemaligen Beschäftigten, mit ihrem Wissen zur Geschichte des Objektes, den technischen Anlagen und Verfahren nicht hinter dem Berg zu halten und sie an dieser Stelle zu posten.
Vielen Dank!
Für die Dauerausstellung »Zwangsarbeit für den Krieg. Die Pulverfabrik Liebenau 1939-1945.« der Gedenk- und Bildungsstätte Liebenau wurde die Virtual Reality Anwendung »Pulverfabrik 360°« erstellt.
Im Mittelpunkt der Ausstellung steht die Geschichte des Werkes und der Menschen, die unfreiwillig dort arbeiteten und in großer Zahl ums Leben kamen.
Mit der VR-Anwendung ist es möglich, die Ruinen der einstigen Produktionsgebäude in ihrem heutigen Zustand per VR-Brille im Kontext ihrer einstigen Nutzung zu betrachten.
Mit dem Bildband »Stillgelegt - 100 verlassene Orte in Deutschland und Europa« präsentieren wir eine weitere Perspektive auf das Thema »Toter Ort« im VIMUDEAP-Kontext. Die drei Autoren Robert Conrad, Michael Täger und Thomas Kemnitz arbeiten seit Jahren erfolgreich im Projekt VIMUDEAP zusammen. Der großformatige Bildband entstand 2015 auf Initiative des DuMont Reiseverlages. Er ist im Herbst 2023 in seiner 3. überarbeiteten Auflage erschienen.
Seite aufrufen25 Jahre nach dem Mauerfall gelingt es der Serie des Berliner Fotografen Robert Conrad, das inzwischen verschwundene Symbol des Kalten Krieges mahnend wiederzuerrichten und Erinnerungen wachzurufen.
Seite aufrufenMit »VERGESSENE ORTE in Berlin und Brandenburg« ist im November 2019 im Mitteldeutschen Verlag ein Buch erschienen, daß man zweifelsohne als weiters VIMUDEAP-Buch bezeichnen kann.
In seinem Bild-Text-Band erzählt der Architekturfotograf, Bauhistoriker und VIMUDEAP-Autor Robert Conrad eine Geschichte des 20. Jahrhunderts in der Region Berlin-Brandenburg.
Eine Auflistung unserer Präsentationen, Vorträge, Interviews ... sowie der Medienberichte über uns.
Seite aufrufenIn unserem kleinen Spreadshirt-Shop können Sie eine Kapuzenjacke mit dem VIMUDEAP Logo zum Herstellungspreis bestellen.
Externen Link öffnenDie Online-Ausstellung ist ein Plädoyer für den Erhalt der baugebundenen Kunst der DDR! Wir zeigen 40 Fotografien des Cottbusser Architekten und Fotografen Martin Maleschka, die als Bildpaare und Einzelbilder präsentiert werden. Sie zeigen 20 baugebundene Kunstwerke verschiedener Techniken und aus unterschiedlichen Materialien aus 16 Städten der ehemaligen DDR.
Seite aufrufenDie erste VIMUDEAP Onlineausstellung bestreitet der Londoner Künstler Angus Boulton. Mit seinem Werk »41 Gymnasia« erinnern wir an den 20. Jahrestag des Abzuges der Sowjetischen Truppen aus Deutschland.
Seite aufrufenDie verlassene sowjetische Bergarbeiterstadt »Pyramiden« auf der arktischen Insel Spitzbergen ist für die Norweger Elin Andreassen, Hein Bjerck und Bjørnar Olsen in ihrem Projekt RUINMEMORIES Gegenstand archäologischer Forschungen und Reflexionen zum Thema »Moderne Ruinen«.
Wir freuen uns, Ausschnitte ihrer Arbeit als weitere Perspektive auf das Thema »ungenutzte Architektur« präsentieren zu können!
Vor 30 Jahren ereignete sich am Block 4 des Kernkraftwerks Tschernobyl der bisher schlimmste Atomunfall der Zivilisationsgeschichte, der bis heute tausende Menschenleben forderte. Während weiterhin versucht wird, den Unglücksreaktor mit schützenden Hüllen zu umgeben, konserviert die einstige Schlafstadt »Prypjat« ihren damaligen Zustand beharrlich. Die Bilder von Michael Täger geben diesen ausschnitthaft und in beeindruckender Art und Weise wieder.
Seite aufrufenDer Schulkomplex auf dem Großen Ziegenberg in Ballenstedt hat als Ort der Elitenbildung eine Geschichte als »Staatliche Nationalpolitische Bildungsanstalt - Ballenstedt« (»Napobi Ballenstedt«, später »NPEA Anhalt in Ballenstedt«) und als »Bezirksparteischule ›Wilhelm Liebknecht‹ der SED-Bezirksleitung Halle«. Der Beitrag präsentiert die im Jahr 2010 entstandenen Aufnahmen und skizziert die Nutzungs- und Baugeschichte.
Seite aufrufenDie Inhalte der in den Jahren 2005/2006 von uns produzierten und in der Edition Vimudeap erschienenen CD/DVD zur untertägigen Anlage »Malachit/Komplexlager 12« wurden im Jahr 2014 remastered. Für die Präsentation innerhalb des Virtuellen Museums der Toten Orte wurden die Einzelbilder, 360° Rundblicke und interaktiven Karten neu aufbereitet.
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Zwischen Unterwelt und Kosmos
Im Berliner Bezirk Weissensee finden sich zahlreiche Gebiete, in denen traditionell Wohnen und Gewerbe gemischt sind.
Das offene Tor einer unscheinbaren Industriefassade weist den Weg in eine labyrinthische Ansammlung von zugemüllten und mit Graffities übersäten Industriehallen unterschiedlicher Epochen und Größe. Das »Ablichten« repräsentativer Motive geht routinemässig zügig von der Hand. Doch auch bei diesem Objekt bleibt beim Verlassen die beunruhigende Frage: Hm, was mag das gewesen sein?
Beim Einsteigen ins Auto schaffen es die im Augenwinkel vorbeischwenkenden vorher übersehenen besonders hohen Fenster, mich zum Aussteigen zu bewegen.
Die Ergebnisse der erneuten Suche und die anschliessende Internetrecherche ergaben den zugegebenermassen recht geheimnisvollen Titel für den Einstieg in die Objekt-Infotexte: »Zwischen Unterwelt und Kosmos«.