Stasi Gebäude Marienborn

Die Schwierigkeiten beginnen damit, eine exakte Bezeichnung für das Gebäude zu finden. Eine „Dienststelle“? Das klingt zu sehr nach einer nachträglichen, wie auch immer gearteten Legitimierung dessen, was dort geschah. Eine „Zentrale“? War es wohl nicht. Eine „Überwachungsstelle“. Das schon eher. Aber auch das klingt eigentlich zu harmlos, nach Lebensmittelüberwachung...

Sicher ist: der Gebäudekomplex im Marienborner „Ortsteil Autobahn“ wurde vom Ministerium für Staatssicherheit der DDR genutzt. Nach bisherigen Erkenntnissen wurden dort die Paßdaten der Transitreisenden überprüft, die an der Übergangsstelle Marienborn die Grenze zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik überquerten.

Wer dies getan hat (auch an anderen Übergangsstellen), erinnert sich sicher daran, daß der Reisepaß bei der Einfahrt in die „GÜST“ von einem Vorposten in Empfang genommen und auf einem Laufband neben den wartenden Autos zu den eigentlichen Abfertigungsgebäuden transportiert wurde. Dort wurde er geprüft, vielleicht abgelichtet und offenbar wurden die Daten (vielleicht nur im Zweifelsfall?) über eine Standleitung an die Stasi-Bediensteten in dem Gebäude weitergeleitet, um das es hier geht. Anhand von Fahndungslisten konnte hier festgestellt werden, ob ein Reisender genauer überprüft oder gar gleich aus dem Verkehr gezogen werden sollte. Erst wenn der Grenzer in seinem Häuschen von der Stasi „grünes Licht“ bekam, durfte er den Paß zurückgeben und den Reisenden weiterfahren lassen.

Sicher haben die Angestellten in dem Gebäude auch andere Aufgaben wahrgenommen. Die unzähligen, auf dem Boden verstreuten Filmrollen deuten darauf hin, daß im Bereich des Grenzübergangs sehr viel fotografiert wurde, wahrscheinlich auch von versteckten automatisierten Kameras aus.

Der „OT Autobahn“ mit Dienstgebäuden, Kasernen, Kulturhaus, Kino und Gaststätte entstand 1949 im Wald südlich der Autobahn Hannover – Berlin als Ersatz für die provisorischen Holzbaracken und Abfertigungsgebäude, die 1945 nach der Einrichtung der Besatzungszonen gebaut wurden.

Die ersten dort stationierten Einheiten gehörten zur „Kasernierten Volkspolizei“, die 1956 in die neu gegründete Nationale Volksarmee (NVA) übernommen wurde. Auch andere NVA-Truppen, z.B. die „Abteilung Grenze“ waren rund um die „GÜST“ tätig. Einige von ihnen eben in dem ausgedehnten Gebäudekomplex, der heute zum größten Teil leer steht, vom Birkenwald überwachsen wird oder als Asylantenunterkunft genutzt wird.

Die weitläufigen modernen Anlagen des Grenzübergangs direkt an der Autobahn, die bis zum Mauerfall 1989 in Betrieb waren, entstanden erst 1972 bis 74, nach dem Grundlagenvertrag und als Reaktion auf den zunehmenden Transitverkehr. Heute beherbergen sie die „Gedenkstätte Deutsche Teilung“ und einen Rasthof.

Matthias Fanck,  27.02.2002