RAB Elbing-Königsberg nördlicherTeil

Eine Autobahnstrecke als Objekt zu bezeichnen und mit einem Kartenpunkt zu markieren ist schon gewagt ... . Wenn sie als historische Strecke dann auch noch durch die Nachkriegsordnung unterbrochen wird und an Orten mit neuen Namen vorbeiführt und auch eigentlich nicht ganz tot ist, wird es schwierig.

Dennoch hat sich die Vimudeap-Redaktion bemüht, sowohl dem Objekt als auch den Definitionen gerecht zu werden.

. Als Objektnamen
haben wir die ursprüngliche Bezeichnug 'Reichsautobahn' gewählt, um der Strecke als totem Ort eine weitere Dimension zu geben. Immerhin handelt es sich nicht um eine an einer Grenze endende Straße, sondern um eine Autobahntrasse, deren zweite Spur nie fertiggestellt wurde und zahlreiche Fragmente allein aus dieser Zeit aufweist.

. Die deutschen Städtenamen Elbing und Königsberg
repräsentieren die Nutzungszeit als zweispurige Reichsautobahntrasse zwischen dem heutigen Elblag auf polnischer Seite und dem russischen Kaliningrad.

. Die Aufteilung in zwei Objekte
spiegelt sowohl die Nachkriegssituation als auch Gegenwart und nahe Zukunft wider. Selbst nach Kaltem Krieg, sozialistischem Bruderbund, Perestroika und wiederaufgenommenen Bauarbeitung zur erneuten Inbetriebnahme der Strecke markiert sie heute wieder eine Grenze - die Aussengrenze der EU. Daraus ergibt sich auch im Vimudeap eine Zweiteilung:

. RAB Elbing-Königsberg, südlicher Teil, PL
. RAB Elbing-Königsberg, nördlicher Teil, RUS

Thomas Kemnitz,  25.02.2004

Ehem. RAB Elbing-Königsberg, nördlicher Abschnitt auf russischem Territorium

Nicht zuletzt wegen seiner massiven Herausstellung in der zeitgenössischen Propaganda gilt der Bau der deutschen Autobahnen in den 1930er Jahren bis heute als eines der bekanntesten Großprojekte der NS-Ära.
Idee und die grundlegende Projektierung des Autobahnnetzes waren bereits in der Weimarer Republik entwickelt worden, Hitlers neue Reichsregierung schrieb sich diese Leistung jedoch umgehend selbst zu, um so unlautere Werbung für den neuen Staat zu machen.
Die Planungen wurden intensiv weiter entwickelt, und unter großem propagandistischem Aufwand begann sofort der Streckenausbau in allen Teilen des Reiches. Dem Teilabschnitt in Ostpreußen kam hierbei eine besondere Bedeutung zu. In Folge des Ersten Weltkrieges und der wenig weitsichtigen Bestimmungen des Versailler Vertrages war diese Provinz zur verkehrstechnisch und wirtschaftlich zunehmend abgeschnittenen Exklave geworden. Der Bau einer Autobahnstrecke gerade hier gab der NS-Regierung die Gelegenheit, eine fürsorgliche Strukturpolitik und nationale Einheit zu demonstrieren.

»Bei dem Bau der Linie von Königsberg nach Elbing waren erhebliche Hindernisse zu überwinden, die nur mit neuester Technik zu bewältigen waren. So mussten bei Elbing-Ost die Bahnstrecke Elbing-Marienburg sowie die Flüsse Hommel und Elbing mit einem 220 Meter langen Viadukt überbrückt werden. Das Niederungsgebiet zwischen Frischem Haff und Draußensee, das teilweise unter dem Meeresspiegel lag, erschloss man mit dem Moorsprengverfahren und sicherte es mit Deichbauten. Für das Naturschutzgebiet Draußensee wurden Ausgleichsmaßnahmen eingeleitet.

Schwierigkeiten machten aber auch die Bauarbeiter, die nicht mit den Arbeitsverhältnissen einverstanden waren: Geringe Lohnzahlungen und Entlassungen wegen zu geringer Leistung belasteten das Betriebsklima. Die Unternehmer zahlten (im Schatten der Weltwirtschaftskrise) 0,35 Reichsmark pro Stunde bei freier Unterbringung in "Reichsautobahnlagern", die teilweise als Zwangslager empfunden wurden. In Königsberg klebten rote Zettel mit der Aufschrift: "Die SA hat goldene Tressen, das Volk hat nicht zu fressen."«
[PAZ]

Bereits im März 1938 war die neue Strecke von Elbing bis zur Provinzhauptstadt Königsberg im Verkehr, wenngleich vorerst nur zwei der geplanten vier Spuren betoniert worden waren. Für das Verkehrsaufkommen dieser Zeit war das durchaus genügend, wichtiger erschien Politikern und Planern der Werbeeffekt und der infrastrukturelle Gewinn einer Weiterführung der Strecke von Königsberg über Insterburg bis an die litauische Grenze bei Eydtkuhnen sowie zu den ostpreußischen Ostseebädern. Diese Projekte fielen jedoch ebenso wie der geplante Autobahnring um Königsberg den Entwicklungen des Zweiten Weltkrieges zum Opfer. Lediglich einige Brücken wie die gewaltige vierspurige Palmburger Straßenbrücke über den Fluss Pregel östlich Königsbergs wurde noch errichtet.

1944 /45 überschritt die Sowjetarmee in Ostpreußen die Grenze des deutschen „Altreiches“. Der Zweite Weltkrieg kehrte ohne Gnade in das Land seiner Verursacher zurück. Das Grauen, das die deutsche Besatzung in der Sowjetunion verbreitet hatte, traf nun gerade diesen östlichen deutschen Vorposten. Ostpreußen erlitt ein Inferno wie nur wenige andere Regionen des damaligen Deutschen Reiches. Südlich Königsbergs entbrannte im Februar/März 1945 eine dramatische, für beide Seiten opferreiche Schlacht, die mit der Einkesselung und Auslöschung der deutschen Verteidiger endete.
Quer durch diesen „Heiligenbeiler Kessel“ verlief die Autobahntrasse. Noch heute sieht man die Spuren der Kämpfe: Einschläge im Beton der Fahrbahnen und den noch erhaltenen Brückenwiderlagern, auf den Brücken zerfetzte Stahlgeländer – ein etwa vierzig Kilometer langes Antikriegs-Mahnmal.
Im Ergebnis der Kämpfe wurden ganze Ortschaften ausgelöscht, die Bevölkerung kam unter der Besatzung um, wurde deportiert oder nach Westen vertrieben.
Während der südliche Teil Ostpreußens dem neuen polnischen Staat zugesprochen wurde, sicherte sich die sowjetische Regierung unter Stalin den nördlichen Teil mit der strategisch und wirtschaftlich bedeutsamen Hafenstadt Königsberg, die Ende der 1940er Jahre in Kaliningrad umbenannt wurde. Eine neue Bevölkerung aus allen Teilen der Sowjetunion wurde in dem weitgehend kriegszerstörten Gebiet angesiedelt und der Versuch unternommen, frei von aller Geschichte des Ortes eine neue, fortschrittliche sozialistische Musterregion aufzubauen. Der Erfolg dieses Experiments muß in Frage gestellt werden.
Hauptnutzer dieser Region war das Militär. Bis in die 1990er Jahre blieb die „Kaliningrader Oblast“ eines der am besten abgeschirmten, geheimnisvollsten Areale der Welt. So verlor auch die alte Autobahntrasse ihre Funktion: geteilt zwischen Sowjetunion und Polen, ohne einen verbindenden Grenzübergang, liefen die Teilstrecken auf beiden Seiten ins Nichts. Auf Grund fehlender Nutzung erfolgte auch kein Unterhalt der baulichen Anlagen mehr.
Erst die Moskauer Perestroika bewirkte eine erste Öffnung und die beginnende Demilitarisierung des russischen Ostpreußens.
Erste optimistische Visionen, wie die einer internationalen Freihandelszone im Kaliningrader Gebiet, sind in den letzten Jahren zumindest vorerst wieder verblasst. Die damit in Verbindung stehenden ersten Arbeiten an der alten Autobahn sind auf russischer Seite bisher wieder abgebrochen worden. Dennoch wird es nur eine Frage der Zeit bleiben, bis diese wichtige Verkehrstrasse im Rahmen des sich vereinigenden Europa neu belebt wird.

Robert Conrad,  25.02.2004

Die 1966er Verkehrskarte der Wojewodschaft Olsztyn zeigt den Streckenverlauf als durchgehende Trasse ins russische 'Niemandsland', obwohl er das seit dem Potsdammer Abkommen nicht mehr war.

In der polnischen Verkehrskarte des Jahres 1994 ist die Autobahn nicht mehr eingezeichnet.

Robert Conrad,  25.02.2004

»Autobahnfertigstellung
Die Autobahn von Königsberg ins südliche Ostpreußen soll nun doch fertiggestellt werden. Die auf einer Konferenz der Verkehrsminister in Danzig beschlossene Lastenteilung sieht vor, dass Rußland für den Bau der 42 Kilometer bis zur innerostpreußischen Grenze aufkommt und Polen für einen Zollübergang für 1.8 Millionen Last- und 300.000 Personenkraftwagen.« [PAZ2]

»Die Firma Budimex S.A. aus Warschau hat die Ausschreibung für den Bau des Autobahn-Grenzübergangs Rehfeld/Heiligenbeil gewonnen. Die Bauarbeiten sollen schon in diesem Jahr beginnen und in zwei Jahren abgeschlossen sein. Die Planungen gehen davon aus, dass dann jährlich zwei Millionen Personenkraftwagen, 300.000 Lastkraftwagen und 30.000 Omnibusse diesen Übergang nutzen werden. Von den Baukosten in Höhe von 150 Millionen Zloty, was etwa 32,6 Millionen Euro entspricht, sind mit 100 Millionen Zloty zwei Drittel für den eigentlichen Grenzübergang samt technischer Ausstattung vorgesehen. Die Kosten teilen sich die Republik Polen und die Europäische Union. « [PAZ3]

Recherche: Robert Conrad,  25.02.2004

Stommer, Rainer (Hrsg.): Reichsautobahn. Pyramiden des Dritten Reichs, Marburg 1982

Robert Conrad,  25.02.2004

Schütz, Erhard / Gruber, Eckhard: Mythos Reichsautobahn, Bau und Inszenierung der „Straßen des Führers“, Berlin 1996

Robert Conrad,  25.02.2004

. Sehr engagierte und fundierte Seite zu Geschichte und aktuellen Planungen der Autobahn in Deutschland:
www.autobahn-online.de/images/gallerie2.html

. Gut recherchierte Liebhaberseite zum selben Thema (Link existiert leider nicht mehr):
members.a1.net/wabweb/history/rab.htm

. Liebhaberseite aus dem Umfeld der Vertriebenenverbände mit Reiseberichten aus dem ehemaligen Ostpreussen (Link existiert leider nicht mehr):
www.reise-nach-ostpreussen.de/Rab/rab.htm

. Englische Seite die sich mit den polnischen RAB-Stücken beschäftigt. Viele historische Bilder sowie weitere Links (Link existiert leider nicht mehr):
www.xdesign.net/rab/rab_index.html

Robert Conrad,  25.02.2004

Mit Stand 17. Juli 2006 haben folgende Abschnitte/Fragemente der ehemaligen RAB Einzug in das Virtuelle Museum der Toten Orte gehalten:
Autobahnfragmente, Bautzen-Görlitz, D

RAB Elbing-Königsberg, südlicher Teil, PL

RAB Elbing-Königsberg, nördlicherTeil, RUS

RAB Strecke 46, Gräfendorf, D

Thomas Kemnitz,  17.07.2006

Nicht mehr existierende Links wurden entfernt bzw. als solche markiert.

Robert Conrad,  26.05.2014