Munitionsfabrik Güsen

Rückseite des Stabsgebäudes mit dem Haupteingang.
Rückseite des Stabsgebäudes mit dem Haupteingang. Aufnahmedatum: März 2004. © Florian Steinborn

Kurzinfo

Fährt man aus dem Hohen Fläming kommend in Richtung Altmark und benutzt dabei die Verbindungsstraße von Hohenseeden nördlich nach Jerichow, so passiert man kurz hinter Hohenseeden ein in einer Kurve gelegenes Waldstück, das rückwärtig durch die Bahnlinie Magdeburg-Berlin begrenzt wird und heute verwaltungsmäßig zu Güsen gehört.

Auf diesem, im Jahre 1209 erstmals urkundlich erwähntem Grund, errichtete im Jahre 1759 die Familie von Plotho das "Vorwerk Penningsdorf", dessen Flurgröße im Jahre 1843 mit 586 Morgen Ackerland und 800 Morgen Holzungen angegeben wurde.

1893 ließ sich W. v. Plotho hier ein Jagdschloß im Barockstil erbauen. Allerdings konnte die Familie v. Plotho später das Vorwerk nicht mehr halten und verkaufte es 1909 an den Grafen Hugo von Kastell zu Rüdenshausen, der es allerdings bereits 1911 an Heinrich von Ostrau für 500.000 Mark weiter verkaufte.

Der Erste Weltkrieg brachte in der Region eine Fülle von neuen Betrieben hervor. Unter anderem wurde die Region zu einem Zentrum der Chemieindustrie (Waschmittelwerk Henkel in Genthin) und der Lebensmittelindustrie (Knäckefabrik Burg). Die bis zum Ersten Weltkrieg in der Region beheimateten Gewerbe wie das Mühlen- und Ziegeleigewerbe (vgl. Vimudeap-Objekt Ziegelei Parey) verschwanden fast völlig.

Neben den genannten Industriezweigen wurde die Region mit Beginn des Ersten Weltkrieges auch zu einem Zentrum der Sprengstoff-Herstellung. Schon im November 1914 war der Bau der Pulverfabrik Plaue beschlossen worden. Im Jahre 1916 verkaufte Heinrich von Ostrau das Vorwerk Penningsdorf dann an die Deutsche Sprengstoff AG, womit das Ende der zivilen Nutzung von Penningsdorf für die kommenden 75 Jahre besiegelt war, denn schon 1917 ging die Fabrik für Schießwolle mit angegliederter Füllstelle in Produktion. Für die Zeit des ersten Weltkrieges geht man von einer Mitarbeiterzahl von 1000 - 1500 Personen aus. Zum Ende des ersten Weltkrieges sollte die Fabrik noch um eine Produktionsanlage für TNT erweitert werden - es ist aber ungewiss, ob dieses Vorhaben noch umgesetzt wurde.

Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges beschränkte man sich auf die Produktion von Nitrozellulose für Kinofilme, Kunstseide und Fotochemie. Auch nach dem Krieg waren in der Fabrik mehrere Hundert Arbeiter beschäftigt. Zum 31.12.1926 musste das Werk die Produktion von Nitrozellulose einstellen und am 1.4.1927 erfolgte die vollständige Stilllegung des Werkes. Bereits 1933 wurde auf dem Gelände der Sprengstoff-Fabrik ein geheimes Labor für Spezialwaffen eingerichtet.

1934 wurde auf dem Gelände der Bau eines großen Zweigwerks der Dynamit AG Köln begonnen, wobei die großen, nicht mehr benötigten Schornsteine abgerissen bzw. gesprengt wurden. Bei diesem Umbau wurde auch das ursprünglich hier errichtete Schloss abgerissen.
Entstanden war eine Munitionsfabrik modernster Art. Sie erhielt den Tarnnamen "Wiese".

Die Gebäude bestanden aus Stahlbeton und auf den Gebäuden wurde teilweise eine meterdicke Erdschicht aufgeschüttet, die anschließend mit Bäumen bepflanzt wurde. Einen Eindruck von der Größe des Geländes vermitteln die folgenden Zahlen: das Werk umfasste einstmals 680 Gebäude, 28 km Bahnanlagen, 26 km unter der Oberfläche liegende Rohrleitungen und 34 km Kabelleitungen. Gegen Ende des Krieges hatte das Werk 2900 Mitarbeiter. Die Produktionskapazitäten waren zu diesem Zeitpunkt auf 1300 Monatstonnen TNT, 1400 Monatstonnen Nitrozellulose sowie die Verfüllung von 3820 Tonnen Kampf- und Nebelstoffe pro Monat erweitert worden.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Werk komplett demontiert und von der sowjetischen Armee als Tanklager und Lager für Schmierstoffe benutzt.

Die hier gezeigten Aufnahmen vom Gelände entstanden im März 2004 während des Rückbaus, der im August des gleichen Jahres abgeschlossen war.

Von der Geschichte des Ortes zeugen heute nur noch der Feuerlöschteich und die zahlreich vorhandenen Orts- und Personennamen, die in die Rinde dort stehender Bäume oder den Beton der Fahrstraßen eingekratzt sind. Die Unterstände sind verschüttet, die Gebäude restlos verschwunden.

Florian Steinborn, 13.05.2005 und 29.02.2016

Quellen und Danksagung:
- Fritz Fabert, Heimatverein Mützel
- Heimatverein Güsen
- den Forenten des DDR-Bunkerforums bunkernetzwerk.de
- Trimborn, Friedrich: Explosivstofffabriken in Deutschland, Köln 2002. S. 108 f.
- Hübner, Hans-Joachim: Die Fabrik Kaufbeuren der Dynamit-AG in: Schriftenreihe von Stadtarchiv und Stadtmuseum Kaufbeuren, Kempten 1995.
- Emil Unruh für Übersetzungen aus dem Russischen

Geografische Angaben

L54,  39317 Elbe-Parey,  Sachsen-Anhalt,  Deutschland

Rubrik

Militär

der Bau oder die Nutzung fallen in diese historischen Zeiträume

1918 - 1939,  1939 - 1945,  1945 - 1990

Informationen über Zugänglichkeit, Zustand oder Nutzung (auch von Teilbereichen)

existiert nicht mehr,

Statistik

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letzte Änderung:  29.02.2016