Kinderferienheim Tirrenia

Colonia Marina Femminile dei Fasci Italiani all`Estero a Tirrenia

Ort: Calambrone, Tirrenia
Architekten: Mario Paniconi und Giulio Pediconi

Im Rahmen eines landesweiten Programms der italienischen faschistischen Partei PNF unter Benito Mussolini zur Errichtung zahlreicher Kindererholungsheime entstand auch die Colonia Marina Femminile in Calambrone.
Die gesamte Anlage wurde um 1935 von den gerade erst diplomierten Architekten Mario Paniconi und Giulio Pediconi im Stile des Razionalismo geplant und realisiert.

Die Colonia liegt direkt am Strand der italienischen Riviera auf dem südlichsten Grundstück eines mit einer Serie von weiteren Colonie bebauten ca. 10 km langen Strandabschnittes zwischen Marina di Pisa und der Hafenstadt Livorno.
Die Colonia Marina Femminile in Calambrone war für 900 Kinder zur sommerlichen Erholung ausgelegt. Ausschließlich junge Mädchen von im Ausland lebenden italienischen Eltern sollten hier unter paramilitärischen Bedingungen körperliche Ertüchtigung, medizinische Betreuung, vor allem aber ideologische Indoktrination erfahren.

Die Gesamtplanung für das Areal zeigte die Typologie einer vorbildlichen italienischen Colonia der 30er Jahre auf: Neben Bauten, welche die Hauptfunktionen - Unterbringung, Beköstigung, medizinische Versorgung und Verwaltung - zu erfüllen hatten, wurden von der Partei als Auftraggeber zusätzlich Unterrichts-, Sport- und Kulturanlagen gefordert sowie Aufmarschplätze mit unvermeidlichem Fahnenmast und das Regime verherrlichenden Plastiken und Inschriften, um so den Kindern weit über das Ziel eines schönen Ferienaufenthaltes hinaus die menschenverachtende Staatsideologie einzuprägen.
Auf dem 44 ha großen Gelände befinden sich heute ruinöse Gebäude eines lang gestreckten 2-geschossigen Schlafsaaltraktes sowie zwei weitere zentral gelegene 2-geschossige Unterkunftshäuser, ein Wirtschaftsgebäude mit einer der Kapazität entsprechend ausgelegten Küche und einem Speisesaal, der in seiner funktionalen Bauweise und Innengestaltung eher an eine Sporthalle erinnert und wohl zeitweise auch als solche genutzt wurde.

Die Verlängerung der den Hof und Appellplatz zum Norden hin begrenzenden Schlafsäle bildeten die Krankenstation und eine Kapelle in außergewöhnlicher modernistischer Formgestaltung.
Theater, Schule, Heizungs- und Wäschereigebäude werden heute von der Hauptdurchgangsstraße vom übrigen, seeseitigen Gelände getrennt.

Im Zweiten Weltkrieg und in den darauf folgenden Jahrzehnten nutzte die US-Army die moderne Anlage als Lazarett.

Heute finden sich die erstaunlich authentischen Spuren dieser beiden historischen Schichten in der mehr und mehr verfallenden Bauanlage.

Margrit Kühl 12/2004

Literatur:
Arch.Association (Hrg.): Cities of Childhood, London, 1998

Links:
deu.archinform.net/stich/846.htm

Margrit Kühl,  22.12.2004