Karipol Fabrik Leipzig

Das verlassene Fabrikgelände liegt innerhalb des Baublocks Limburger / Klingen- und Gießerstraße im südwestlich des Leipziger Zentrums gelegenen Stadtteil Plagwitz. Dieses Viertel beidseitig des Elster-Saale-Kanals stellte einst das achtgrößte Industriequartier Deutschlands dar. Seit der Mitte des 19. Bis ins frühe 20. Jahrhundert hinein entstanden hier zahlreiche Fabrikareale gemischt mit Wohnanlagen in Blockrandbebauung in zumeist aufwändiger historistischer und neoklassizistischer Architektur.

In der DDR wurden diese Liegenschaften ohne ernsthafte Bauunterhaltung weitergenutzt. Das führte zu dem Glücksumstand, daß das Quartier bei aller Baufälligkeit in seiner frühindustriellen Romantik und denkmalhaften Aussagekraft erhalten blieb: »Plagwitz, ein Leipziger Stadtteil und noch vielmehr Industriegebiet, eines der ältesten deutschen Fabrikviertel überhaupt, erscheint uns heute wie ein Museum. Als Industriestandort uninteressant geworden, mit Wohnhäusern, deren Bausubstanz seit ihrer Errichtung um die Jahrhundertwende ständigem Braunkohledreck ausgesetzt blieb, mit Straßen, die eher für Pferdefuhrwerke angemessen scheinen...« (Verlagsankündigung, Thieme/Hilbig: Plagwitz. Ein Foto-Lesebuch, 1992)

Nach dem Zusammenbruch der Maschinen- und Textilfabrikation mit dem Ende der DDR wurde Plagwitz zur Problemregion der Stadt, nicht zuletzt auch aufgrund der ökologischen Altlasten der realsozialistischen Produktionsweise. Suburbanisierung und stetig sinkende Bevölkerungszahlen Leipzigs kamen als erschwerender Faktor hinzu. Trotz einzelner erfolgreich verwirklichter Konversionsprojekte und der Expo-Initiative «Plagwitz auf dem Weg ins 21. Jahrhundert» bestimmt zunehmend eine hilflose Flächenabrißpolitik die Entwicklung: große Stadtbrachen prägen heute den historischen Stadtteil, nachdem er die Bombeninfernos des Zweiten Wetkrieges wie auch die brachialen Umgestaltungsvisionen der DDR so gut überstanden hatte.

Robert Conrad,  10.05.2002

Die Bauten der Chemiefabrik an der Limburger Straße entstanden um 1900. Drei Gebäudeflügel und einige Nebenanlagen wie Werkstatt und Kesselhaus mit großem Schornstein gruppieren sich entlang der orthogonalen Straßenfluchten um zwei Innenhöfe. Das Bauensemble wurde mehrheitlich viergeschossig in Mauerwerk mit seinerzeit hochmodernen Eisenbetonrippendecken errichtet. Die einzelnen Flügel der Anlage, in denen Verwaltung, Produktion und ein eigenes Laboratorium untergebracht waren, weisen gegliederte Lochfassaden in gelbem Klinker auf, als Schmuckelemente dienen klassizistische Türverdachungen und Eisengitter in der floralen Gestaltung des Jugendstils. Besonders hervorzuheben ist der Torbereich mit monumentaler Atlas-Plastik und nobilitierenden ionischen Säulen. in den Jahren der DDR erfolgten hier häßliche provisorische Umbauten, die jedoch leicht wieder zu entfernen wären.
Nach der Verstaatlichung des Betriebes erfolgte hier die Herstellung von diversen Reinigungsmitteln wie „Klarofix“ und der Kfz-Bremsflüssigkeit „Karipol“. Die Produktion wurde bis 1995 weitergeführt, zu Großteil mit einem Maschinenpark, der aus den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts stammte. Seither fehlt es an Konzepten für eine nachhaltige Neunutzung des Ensembles, da die attraktive innerstädtische Lage und die universal nutzbare Architektur nach vielen Jahrzehnten der chemischen Produktion durch schwer absehbare Kontaminierung des Geländes mit Schadstoffen relativiert werden.

Robert Conrad,  10.05.2002

Hallo Robert,
Mein Kompliment für den sorgfältig aufgebauten und informativen Kurztext über das Quartier und die Fabrik.
Es freut mich natürlich immer wieder, ein Objekt im Vimudeap zu bestaunen, das ich auch life erlebt habe.
Im März 2001 besuchte ich ein weiteres Mal das Industriequartier Leipzig- Plagwitz. Unter den zahlreichen Industrieruinen (Brauerei, Druckmaschinenwerke, Industriekraftwerk und Buntgarnwerke ) viel mir die Fassade der Karipol- Fabrik (Ehemalige Globus- Werke) speziell auf.
Folgende unten genannte Daten konnte ich über die Fabrik in Erfahrung bringen.

Beste Grüsse Marco

Marco Tribastone,  18.05.2002


1897
Bau des ersten Teils der Fabrik mit Kesselhaus, Wohnhaus und Gebäudeflügel Klingenstr.

1905
Bau des Eckgebäudes Giesserstr. als Verwaltungsgebäude.

1909/11
Erweiterungsbau Hauptgebäude mit Torbereich(Atlas-Plastik).

1939/45
Erhebliche Beschädigungen durch Kriegseinwirkungen, Hauptgebäude teilweise bis zum 1. OG ausgebombt.

1949
Prov. Notdach über dem Kessel und Hofgebäude.

1949
Projekt für Wiederaufbau Globus-Werke mit einer zweiten Tempelartigen Hofeinfahrt, die aber nie zur Ausführung kam.

1950
Prov. Notdach über dem Hauptgebäude.

1952
Wiederaufbau des 1.+ 2.OG vom Hauptgebäude, rechter Flügel.

1953
Wiederaufbau des 3.OG vom Hauptgebäude, linker Flügel.

1957
Wiederaufbau des Dachgeschosses vom Hauptgebäude.

1961
Umbau Wohngeb. zu Garderoben/ Sanitätsstelle.

1972
Umbau Eckgebäude Giesserstr. in ein Labor und Forschungszentrum der VVB Leichtchemie.

1972/74
Rekonstruktion Kesselhaus, Einbau Zweiflammrohr-Kessel.

Marco Tribastone,  22.05.2002


Bis zur Verstaatlichung:
Firma Fritz Schulz jun. AG.

1949
Industrieverwaltung 26, Zweigbetrieb Fr. Schulz jun. AG.

1949-1950
Variochem-VEB Globus-Werke.

50er und 60er-Jahre
VVB Sapotex-VEB Globus-Werke.

70er-Jahr
VEB Aerosol-Automat Karl-Marx-Stadt, Betriebsteil Leipzig.

1980er
VEB Wittol Lutherstadt Wittenberg, Betriebsteil Leipzig.

Ende 1980er
VEB "Otto Grotewohl" Böhlen, Betriebsteil Autopflegemittel (Karipol) Leipzig.

Letzte Betriebsjahre
Sächsische Olefinwerke AG Böhlen.

Alle Gebäudedaten stammen von alten Bauunterlagen und div. Schriftstücken.

Marco Tribastone,  22.05.2002

Hallo,

bei aller Baufälligkeit und der Verkommenheit der Gebäude ist doch die insgesamt schlüssige Baustruktur erhalten geblieben.

Ein wirklich "romantischer"Industriebaustil, der bei aller Sachlichkeit verschwenderisch mit Ornamentik und repräsentativen Elementen aufwartet (Treppenhaus, Fenstervergitterung, Fassadenornamentik etc.).

Dieses Verständnis, in dem ein gesamter Komplex neben dem produktivem Selbstzweck auch gewissermassen bauliche Kunst mit beinhalten sollte, wird man bei vielen zeitgemäßen Industriebauten heutzutage kaum mehr finden.

Der Bau drückt eben eine andere Grundhaltung des Bauherren und der damaligen Zeit aus.

Es ist schade, daß solche Gebäudekomplexe aufgrund ihrer nicht mehr passenden Nutzungsstruktur heute dahinsiechen und mit ihnen ihre souveräne Formensprache in einer Bauruine endet.

Interessantes Areal.

Gruß

Edgar Schlimm

Edgar Schlimm,  23.10.2004