Jugendhochschule Bogensee

Gäbe es ein Vimudeap-Objekt 'Jugendhochschule Bogensee', wenn der ursprüngliche Henselmann/Liebknechtsche Entwurf einer frei angeordneten Bungalow-Anlage realisiert worden wäre?

Nach dem Willen Ulbrichts wurde ein gigantischer Schulungskomplex errichtet, der barocken Schloßanlagen alle Ehre macht und uns heute wie eine zweite Stalinallee in den Wäldern des Barnim erscheint.

Noch steht die Anlage in tadellosem Zustand. Doch auch die letzten Nutzer, Hundertschaften des Bundesgrenzschutzes, die während ihrer Einsätze in Berlin zum 1. Mai hier Quartier machten, kommen nicht mehr. Längst nutzen sie ehemalige Kasernen in Strausberg.

An den Wochenenden pilgern Gruppen grauhaariger Rentner über das Gelände. Die Wenigsten wegen dem Goebbelschen Landhaus, das eines der ersten Gebäude in Bogensee war und später durch die Jugendhochschule neu genutzt wurde.

Die Berliner Wohnbauten - und Beteiligungsgesellschaft mbH, WoBeGe, ist intensiv bemüht, einen Käufer für das Gelände zu finden. Sicher kein Schnäppchen, denn die Unterkünfte wurden in den 10 Jahren Nach-Wende-Nutzung durch den Internationalen Bund auf aktuellen Stand gebracht und warten auf neue Gäste.

An die damals gewollte Abgeschiedenheit (u.a. befindet sich auch der ehemalige 'Honecker-Bunker' in ca. 1km Entfernung) haben sich die Bewohner der Siedlung Bogensee natürlich längst gewöhnt. Nicht gewöhnen sollten sie sich an den Gedanken, daß die Geschichte der denkmalgeschützten Anlage mit der Aufnahme in ein Virtuelles Museum der Toten Orte zu Ende sein könnte.

Thomas Kemnitz,  30.09.2003

Am 29.8.2000 sendete der Deutschlandfunk ein fantastisches Feature mit dem Titel Idyll Bogensee - Ein Ort der Propaganda. Es lohnt sich, das Skript zu lesen, erfährt man doch hier neben der Geschichte interessante Details aus Interviews von Absolventen der Hochschule. Die Ankündigung auf der Site des DLF und das Skript als PDF aus dem Vimudeap-Archiv.

Thomas Kemnitz,  30.09.2003

Ich danke dem Ortschronisten, Herrn Joachim Käßler, für das Bereitstellen der folgenden Zeittafel:


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1913
Der Kämmerer und Geheime Rat seiner Majestät, Graf Wilhelm von Redern verkauft sein 1876 erworbenes Gut von ca. 5000 ha (Gut Lanke nebst Bogensee) für fast 20 Millionen Reichsmark an die Stadt Berlin.

1936
Reichspropagandaminister Paul Joseph Goebbels erhält am 29. Okt. 1936 zum 39. Geburtstag den Bogensee nebst neu erbautem Blockhaus und 496,3 ha Land von der Stadt Berlin auf Lebenszeit geschenkt.

1939
ließ sich Goebbels am Westufer das heutige Landhaus nebst Gästehaus und Garagen erbauen. Es hatte 24 Zimmer, 1600 qm Grundfläche, ein Walmdach und einen wunderschönen Natursteinsockel. Der Architekt war wahrscheinlich Ing. Paepke. Es gibt eine kaum sichtbare Klimaanlage, ein Kino, nach unten versenkbare Fenster, zwei Kamine, und die Armaturen im Bad waren von besonderer Qualität. Die UFA trug 1,5 Mill. RM zum Bau bei. Nach Goebbeis Tod sollte es ein Altersheim für Schauspieler werden.

1945
Am 25. April stürmten Sowjet-Soldaten unter Generalmajor Viktor Antonowitsch Weskbirski unter Widerstand von 20 SS-Soldaten die Gebäude am Bogensee. Bis 1946 wurde es von den Russen, als Lazarett genutzt

1946
am 9. März übergibt der Stadtkommnandant von Bemau die Gebäude der Provinzial-Jugend-Kommission von Brandenburg zu schulischen Zwecken. Zu Gast war der Botschafter der UdSSR W. S. Semjonow.
Bis 1946 kamen täglich Offiziere der vier Alliierten und hissten auf dem zu Berlin gehörenden Land ihre Fahnen.
Bereits im Mai fand hier der erste Lehrgang der Jugend statt. Zu diesem wurde das Landhaus mit Arbeits- Wohn- und Gastraum ausgestattet.

1950
erhielt die Schule den Ehrennamen 'Wilhelm Pieck"

1951
erfolgte die Grundsteinlegung für die Erweiterung der Schule. In fünfjähriger Bauzeit entstanden das Lektions, das Kultur- und drei Internatsgebäude. Im Landhaus wurden ein Kindergarten, eine Konsum-Verkaufsstelle, ein Friseur sowie Wohnräume für den Direktor und Verwaltungsleiter untergebracht . Zur gleichen Zeit entstand die heutige Siedlung für Studenten und Lehrer.

1980
begann eine weitere Bebauung am Bogensee. Das Landhaus wurde als Restaurant für repräsentative Zwecke der FDJ umgebaut. Kindergarten und Krippe kamen ins ehemalige Gästehaus (heute Forstamt). In der Siedlung wurden zwei Neubauten errichtet. Es kamen dazu die Sporthalle, ein Heizhaus und ein weiteres
Internatsgebäude, das heutige Haus 'Wien*. Im Lektionsgebäude wurde die zweitgrößte Fremdsprachenanlage der DDR installiert (18 Fremdsprachenkabinen - 560 Sitzplätze).

1981
war Bundeskanzler Helmut Schmidt zu Gast am Bogensee

1990
versuchte sich der Internationale Bund für Sozialarbeit mit einem Ausbildungshotel am Bogensee, welches im Oktober 1999 wieder seine Pforten schloss.

1994
Die gesamte Anlage wird unter Denkmalschutz gestellt.

2002
Der einzigste Betrieb auf diesem Gelände ist zur Zeit die Forstverwaltung mit ihrer kleinen Waldschule, die Kindern die heimische Naturnäher bringen will.

Joachim Käßler
Ortschronist vom Bogensee

Bogensee im September 2002

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Thomas Kemnitz,  30.09.2003

Die WoBeGe betreibt eine eigene Site (www.bogensee.com) zur Information über die Immobilie. Ihr kann man u.a. auch eine ausführliche Zeittafel entnehmen. Link oder PDF aus dem Vimudeap-Archiv.

Thomas Kemnitz,  30.09.2003

Dora Heinzes Dokumentation aus dem Jahr 2002, Bogensee - Die Geschichte eines verborgenen Ortes bei Wandlitz, zeichnet ein sehenswertes Portrait des Areals und seiner Geschichte.

Gesendet im Dezember 2002 auf Proenix. Die Ankündigung online oder als PDF aus dem Vimudeap-Archiv.

Der Rundfunk Berlin Brandenburg sendete die Dokumentation am 6.Februar 2003 in seiner Reihe
Querstrasse-Reportage. Seite als PDF aus dem Vimudeap-Archiv.

Thomas Kemnitz,  30.09.2003

Die Berliner Zeitung vom 28.03.2003 berichtete unter dem Titel "Sanssouci für Arme" wird verkauft - Das Land Berlin will sich von der einstigen Jugendhochschule Wilhelm Pieck am Bogensee trennen über die aktuelle Situation vor Ort. Die Seite als Weblink oder als PDF aus dem Vimudeap-Archiv.

Thomas Kemnitz,  30.09.2003

Die Berliner Zeitung berichtete am 13.05.1996 unter dem Titel Ich schäme mich auch heute nicht dafür über ein Treffen von Studenten und Referenten der ersten Hochschulkurse. Sehr lesenswert! Der Artikel online oder als PDF aus dem Vimudeap-Archiv.

Thomas Kemnitz,  30.09.2003

Das Deutsche Historische Museum zeigte in verschiedenen Ausstellungen Exponate, die an der Jugendhochschule entstanden sind.

Auftrag: KUNST 1949-1990
"1986 feierte die Jugendhochschule der FDJ in Bogensee ihr vierzigjähriges Bestehen. Aus diesem Anlaß beschloß der Zentralvorstand der FDJ eine grundlegende Sanierung der Gebäude aus den fünfziger Jahren sowie die «bildkünstlerisch Ausgestaltung» der Schule." Informationen zu diesem Teil der Ausstellun online oder aus dem Vimudeap-Archiv.

Ergänzen möchte ich, dass die folgenden Bilder ebenfalls Exponate zeigen, die in diesem Rahmen entstanden sind:
Campus 02, Internat 02, Internat 03, Internat 04.


Lebensstationen in Deutschland 1900 bis 1993
Gezeigt wird u.a. eine GESCHENKKASSETTE IN KOMPASSFORM aus dem Jahre 1958.
"Im Juli 1958 beschloß der Zentralrat der FDJ die Durchführung eines "Kompaßwettbewerbes" für den Zeitraum 1958-1960 (daher auch die Zahl "60" auf dem Kompaß). Alle FDJ-Mitglieder sollten sich an diesem erstmals veranstalteten Wettbewerb beteiligen und sich selbst "Verpflichtungen" auferlegen, die sie dann einlösten. FDJ-Angehörige gingen z.B. die Verpflichtung ein, neue Mitglieder für die FDJ und die SED zu werben, junge Männer zum Eintritt in die Nationale Volksarmee (NVA) zu bewegen oder die "Junge Welt", die Zeitschrift der FDJ, zu abonnieren.
Die gezeigte Geschenkkassette wurde im Rahmen dieses Wettbewerbs angefertigt. Auf der Oberseite des Deckels nennen die Mitglieder der FDJ Jugendhochschule "Wilhelm Pieck" am Bogensee ihre selbstauferlegten Arbeits- und Leistungs-"Verpflichtungen", zum Beispiel: "10 000 Stunden leisten wir im NAW" (Nationales Aufbauwerk). Eingelegt sind 26 weitere Verpflichtungserklärungen. ..."
Informationen zum Exponat online oder als PDF aus dem Vimudeap-Archiv.

Thomas Kemnitz,  30.09.2003

Es könnte daraus der Eindruck entstehen, dass die Selbstverpflichtung eine Opferung darstellt, es ging auch ohne mit entsprechender Positionierung. Alles in allem eine sehr prägende und wesentliche Erfahrung im jugendlichen Alter von 20 Jahren wobei ich dort den Partner kennengelernt habe mit dem ich eine tolle Ehe seit 21 Jahren führe.

Martina Gramm,  17.06.2006

Ich bedanke mich herzlich bei Herrn Walkling von der WoBeGe, für die Genehmigung.

Einen ganz besonderen Dank an Herrn Joachim Käßler für den Vor-Ort-Termin, die Gespräche und seine ünermüdliche Arbeit als Ortschronist und Wachschutz-Mitarbeiter.

Thomas Kemnitz,  30.09.2003