Flugplatz Perleberg

Das Areal des ehemaligen Fliegerhorstes liegt in der Priegnitz (Nordbrandenburg) etwa 2 km westlich der Stadt Perleberg an der heutigen Bundesstraße B 189. Ursprünglich erfolgte eine weitere Erschließung durch einen Abzweig der Eisenbahnlinie Perleberg - Wittenberge.
Das Gelände erstreckt sich mit dem eigentlichen Flugfeld über eine weite Freifläche südöstlich des Dorfes Sükow. Die südlich angrenzenden Flugzeughallen, Werkstätten, Unterkünfte und Verwaltungsbauten wurden aus Tarnungsgründen gedeckt durch den Baumbestand des Perleberger Stadtforstes errichtet.

Die Anlage gehört zu den ersten, entgegen den damaligen alliierten Auflagen illegal aufgebauten Stützpunkten der "Risiko-Luftwaffe", wie der NS-Staat seine im Geheimen eilig aufgebaute Luftstreitkraft intern bezeichnete. Erst im März 1935 wurde der neue Truppenteil neben Heer und Marine offiziell aufgestellt.
Spätestens im Oktober 1935 hatte die Perleberger Luftwaffen-Kaserne bereits ihren Dienstbetrieb aufgenommen. Der Schwerpunkt lag auf der Ausbildung hier stationierter Piloten für die militärische Fernaufklärung.

Sechs Flugzeughallen unterschiedlicher Größe, ein gewaltiges Werftgebäude, die Flugleitung mit elegantem Beobachtungsturm auf halbrundem Grundriß, das Gebäude der Platzfeuerwehr mit kubischem Turm in roter Klinkerverblendung und ein umfangreicher Fuhrpark bildeten den technischen Bereich des Fliegerhorstes. Die Bauten wurden in sachlicher Architektur mit der Dominanz von Stahlbetonkonstruktionen und großen Glasflächen errichtet.
Dieser modernen Formensprache wurde im Unterkunfts- und Administrationsbereich eine für den NS-Kasernenbau durchaus typische traditionalistische Gestaltung gegenübergestellt, die jedoch erstaunlicherweise starke spätexpressionistische Züge aufweist. Die orthogonal im Waldgebiet angeordneten zweigeschossigen Gebäuderiegel wurden als Putzbauten in einfacher Mauerwerksbauweise errichtet und entsprachen mit steilem Walmdach, Mittelgangerschließung und massiver Unterkellerung dem allgemeinen Standard von Unterkunftsbauten des NS-Luftwaffe.
Dieser prinzipiellen Gleichförmigkeit wurde durch die planenden Architekten jedoch mittels einer beachtenswerten Formenvielfalt verschiedenartiger Treppenhaus- und Eingangsrisalite begegnet, die in Remineszenz an die märkische Umgebung mit roten und gelben Sichtklinkern in verschiedenster Musterung verblendet wurden. Der Reichtum an Bauschmuck und Dekor erinnert an herausragende Beispiele der Fassadengestaltung im Wohnungsbau der Weimarer Republik. Die hier noch anklingenden Formen von Backsteinexpressionismus und Art Deco legen den Schluß nahe, daß die bemerkenswerte Perleberger Anlage bereits in den frühen dreißiger Jahren erbaut wurde - in einer Phase, als ein verbindlicher, "gleichgeschalteter" Baustil unter dem neuen Regime noch nicht gefunden worden war.

Während des Krieges wurde die vorher in Gotha untergebrachte Aufklärungsschule 3F der Luftwaffe nach Perleberg verlegt, nachdem dort vorher ein Kampfgeschwader mit Heinkelmaschinen stationiert war, das auch bei der deutschen Invasion in Norwegen eingesetzt worden war. Im weiteren Kriegsverlauf dienten die technischen Bauten dann der Rüstungsproduktion.
Nach 1945 wurde das Gelände durch die Sowjetarmee übernommen, die an einer weiteren fliegerischen Nutzung nicht interessiert war. Einige Hallen wurden demontiert, in das Sichtfeld des alten Towers wurden Bäume gepflanzt. In der Anlage wurde eine Infantrieeinheit (21. Mot.-Schützen-Division) untergebracht.

Architektonisch schlug sich die neue Nutzung in mangelnder Bauunterhaltung und dem flächendeckenden Übertünchen und Überschlemmen mit grauer Farbe aller interessanter Baudetails nieder, wodurch das Ensemble bis in die Gegenwart geprägt wird.
Im Süden wurde das Areal durch Plattenwohnbauten für Offizierfamilien erweitert.

Nach dem Abzug der sowjetischen und GUS-Truppen zu Beginn der 90er Jahre schritt der Verfall der Bauten weiter voran. Aufgrund fehlender Konzepte und des Ausbleibens von Investoren stellt das Gelände heute einen toten Ort dar. Nur ein Hangar und die Landebahn werden durch den örtlichen Aeroclub genutzt, immerhin zwei der sowjetischen Plattenbauten sind als Asylantenheim saniert worden.

Die Anlage des früheren Fliegerhorstes Perleberg besitzt als bauhistorisches, technisches und sozialgeschichtliches Denkmal eine außerordentlich hohe Aussagekraft.
Durch die Hilflosigkeit der Brandenburgischen Bodengesellschaft und der örtlichen Kommunalverwaltung wird sie derzeit in einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme unwiederbringlich abgerissen.

Robert Conrad,  03.11.2002

"Nach 1945 wurde das Gelände durch die Sowjetarmee übernommen, die an einer weiteren fliegerischen Nutzung nicht interessiert war."

Mindestens bis in zum Ende der siebziger Jahre wurde das mittlerweile vergrößerte Flugfeld als Manöverflugplatz genutzt.

Stefan Büttner,  04.11.2003

Den Artikel habe ich mit Interesse gelesen. Allerdings muß ich dazu sagen, daß das Flugfeld des Flugplatzes Perleberg in den 50ziger und Anfang der 60ziger Jahre durch die GST der DDR als Segelfluggelände genutzt wurde. Es wurde u.a. mit dem Schulgleiter SG 38 und dem Spatz Baby geflogen. In den 60ziger Jahren erfolgte durch die Sowjetarmee der Aufbau eines Fla-Rak-Komplexes. Die noch verbliebenen Flugenthusiasten mußten sich zum Fliegen nach Neustadt/Glewe begeben. Damit endete der Flugbetrieb der GST in Perleberg.

H.Möller,  27.08.2004