Ärzteführerschule Alt Rehse

Schon bei der Suche nach einer geeigneten Bezeichnung und der Einordnung in eine Objektrubrik bemerken wir die Schwierigkeiten, die wohl auch die heutigen Bewohner des Dorfes am schönen Tollense-See bei Neubrandenburg noch zu Schaffen machen. Letztlich entschieden wir uns für die Bezeichnung, die dem Schloßpark und der Gemeinde ihren Schatten auferlegten: Ärzteführerschule (Führerschule der deutschen Ärzteschaft).

Die Führershule steht für die Ermordung tausender unschuldiger Menschen, die in das 'Menschenbild' vom gesunden Arier nicht hineinpaßten.
Ärzte (vor allem Jung- und Assistenzärzte), Apotheker, Hebammen und Gesundheitsfunktionäre der NSDAP wurden in Wochen- und Monatskursen auf folgende Themen eingeschworen:

  • Erbbiologie und Rassenhygiene
  • Euthanasie (meint in diesem Zusammenhang die Beseitigung lebensunwerten Lebens)
  • der Arzt als Führer
  • Vorbereitung der Ärzteschaft auf die Endlösung der Judenfrage
  • Kampfgaschemie u.a.
    (Köpp, S. 138)

    Natürlich beginnte die Geschichte von Alt Rehse viel früher, aber hier die wichtigsten Daten aus dem letzten Jahrhundert.

  • 1933 - Ankauf des Gutes und des Parks durch den Hartmann-Bund als Strohmann der KVD (Kassenärztlichen Vereinigung Deutschlands)
  • ab 1934 - Führerschule
  • 1941 - Nutzung als Reservelazarett
  • bis 1952 - Waisenhaus für Umsiedlerkinder, Kinderdorf 'Alt Rehse'
  • bis 1955 - Institut für Lehrerbildung
  • bis 1958 - Wachbataillon des MfS
  • bis 1990 - Gästehaus der NVA (MB V), Standort des Musikkorps
  • 1978-82 - Ausweichgefechtsstand des MB V der NVA (Wartungseinheit 15)
  • bis 1998 - Nutzung des Parks durch die Bundeswehr
  • 1990er - Rechtsstreit mit der Kassenärztlichen Vereinigung um eine 'Rückgabe' des Parks und Dorfes (!); Errichtung einer Mountainbike-Strecke auf dem Bunker-Areal
  • 1998 - Errichtung eines Sühnesteins auf dem Parkgelände durch die Dorfbewohner
    (nach Köpp)

  • Thomas Kemnitz,  11.10.2001

    Die Forschungen zur Geschichte der ehemaligen Führerschule und des Dorfes stehen erst am Anfang. Wir beziehen uns auf die Schilderungen des ehemaligen Bürgermeisters von Alt Rehse, Dr. Wolfgang Köpp, die er uns vor Ort gab bzw. auf dessen Veröffentlichung 'Alt Rehse -Schau auf dieses Dorf'.

    Weitere Perspektiven vermitteln die folgenden Veröffentlichungen:

  • Euthanasie und die Ärzte der Nazis
    Die Site von Monika Sandmann liefert umfangreiche Texte zur Judenverfolgung, dem Euthanasieprogramm der Nazis und ihre Ärzte monika-sandmann.bei.t-online.de/

  • Alt Rehse -Schau auf dieses Dorf
    Köpp, Wolfgang: Alt-Rehse: Schau auf dieses Dorf. - 2., überarb. u. erw. Aufl. - Blankensee: cw strelitzia
    Verlag., 1999. - 252 S., zahlr. Abb.. ISBN 3-934741-02-9. DM 28,00. Im Buchhandel oder direkt beim
    Verlag, PF 1432, 17224 Neustrelitz.
    Kurzresension: Mecklenburg-Magazin 28.04.2000

  • Siedlungsarchitektur in MV
    Lichtnau, Bernfried (Hg.): Städtische und ländliche Siedlungsarchitektur zwischen 1900 und 1960 in
    Mecklenburg und Vorpommern sowie anderen Regionen. Greifswald: Steinbecker Verlag Ulrich Rose, 353
    S., zahlr. Abb., Preis: 55,00 DM, ISBN:
    3-931483-22-3.
    Kurzresension: Mecklenburg-Magazin 10.03.2000

  • Baustein einer mörderischen Ideologie
    Dr. Erwin Walraph und Jörg Zapnik aus Neubrandenburg beleuchten kurz die "Rassenhygiene" und hunderttausendfache Zwangssterilisationen und
    Patientenmorde.
    Artikel im: Mecklenburg-Magazin 15.01.2000

  • Die Heranbildung von willigen Helfern
    Dr. Erwin Walraph und Jörg Zapnik aus Neubrandenburg beleuchten kurz die Geschichte der Führerschule.
    Artikel im: Mecklenburg-Magazin 22.01.2000

  • Das Dorf, das keiner will
    Artikel aus der Berliner Zeitung vom 28.07.1999 zur Geschichte des Dorfes und der Führerschule und der damit verbundenen Probleme in der Gegenwart.

  • Der Park von Alt-Rehse
    Informationen zum Park und seiner Geschichte auf der Site der Gemeinde.
    www.altrehse.de

  • Thomas Kemnitz,  16.10.2001

    Immer wieder sind bei der Be- und Verarbeitung der Geschichte Personen gar nicht benannt. In diesem Punkt mangelt es oft an Mut, Rücksichten aufzugeben. Leider ist der Inhalt der Seite so wie es häufig gemacht wird. U. Urban

    UlrichUrban,  26.06.2003

    Die militärische Nutzung des Park-Areals, die mit der Übernahme durch die NVA 1958 beginnt und mit der Übergabe durch die Bundeswehr an die Bundesvermögensverwaltung 1998 endet, ist weitgehend unerforscht.

    Das Areal diente in erster Linie dem MB V (Militärbezirk V) als Gästehaus und als Standort für das Musikkorps. Weiterhin nutzten Armeesportler die Sportanlagen und Unterkünfte.

    Der geheimste und bestgetarnteste Bereich ist das Bunkerareal, das 1978 bis 1982 für ca. 27,0 Mio. Mark als Ausweichgefechtsstand des MB V errichtet wurde.

    Die einzelnen Bunker sind heute kaum noch ausmachbar. Zur ursprünglichen Tarnung kommt die üppige wilde Vegetation. Alle Arbeitsbunker sind leer und gegen Betreten mehrfach gesichert (Edelmetallräubern sei Dank) und NICHT ZUGÄNGLICH! Der zentrale Nachrichtenbunker wurde als einziger durch einen Mitarbeiter der BVVN speziell für unsere Dokumentation geöffnet.

    Paul Bergner (www.ddr-bunker.de) danken wir für die folgenden Informationen, die ein Plan illustriert:
    Ausweichgefechtsstand für die territoriale Führung des MB V. Arbeitsbunker: Gesamtkapazität 240 Mann; Nachrichtenbunker: ATZ 70 Teilnehmer, Handvermittlung 80 Teilnehmer mit zusätzlich 6 "Kfz-Hallen" für jeweils 4 Kfz. Maximalbevorratung 7 Tage. Aufgaben wären aber nach 24 - spätestens 48 Stunden erledigt gewesen.

    Es gab weitere ähnliche Anlagen in der DDR, wobei die Anlage bei Söllichau zur Zeit zu musealen Zwecken umgebaut wird und auch nach Terminabsprache besichtigt werden kann.

    Die Wartungseinheiten wurden u.a. in der HNZ2 ausgebildet - ebenfalls schon ein vimudeap-Objekt. Die zu diesem Objekt vorhandenen Innenaufnahmen der Fertigteilbunker (FB-75) geben einen Einblick in die auch in Alt Rehse vorhandene Infrastruktur.

    Thomas Kemnitz,  17.10.2001

    Dieser Punkt, um vielleicht Architekten anzuregen, etwas zur Architektur(geschichte) zu posten. Ansonsten:

  • Siedlungsarchitektur in MV
    Lichtnau, Bernfried (Hg.): Städtische und ländliche Siedlungsarchitektur zwischen 1900 und 1960 in
    Mecklenburg und Vorpommern sowie anderen Regionen. Greifswald: Steinbecker Verlag Ulrich Rose, 353
    S., zahlr. Abb., Preis: 55,00 DM, ISBN:
    3-931483-22-3.
    Kurzresension: Mecklenburg-Magazin 10.03.2000

  • Thomas Kemnitz,  17.10.2001

    Wir bedanken uns beim ehemaligen Bürgermeister der Gemeinde Alt Rehse, Herrn Dr. Wolfgang Köpp, für die ausführliche Führung durch die Parkanlage und die Gemeinde.

    Ein Betreten des Inneren der Gebäude und des Nachrichtenbunkers war nur durch die großzügige Unterstützung durch die Mitarbeiter der Bundesvermögensverwaltung Neubrandenburg möglich, wofür wir uns herzlich bedanken.

    Thomas Kemnitz,  16.10.2001