Adenauer-Villa, Adenauer-Ruine, »Camp Konrad«
Kurzinfo
Wiedergabe des Artikels nach Lizenz CC-BY-NC-SA »Ruine der Adenauervilla zwischen Duppach und Steffeln«. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: kuladig.de/Objektansicht/O-13604-20110719-4 (Abgerufen: 6. November 2015).
Ruine der Adenauervilla zwischen Duppach und Steffeln
Adenauerhaus im Kammerwald, »Camp Konrad«
Im zwischen Prüm, Stadtkyll und Gerolstein gelegenen Eifler Kammerwald befinden sich zwischen den Gemeinden Duppach und Steffeln die ruinösen Überreste der nie fertiggestellten Adenauervilla – im Volksmund auch »Adenauerhaus« oder »Camp Konrad« genannt. Durch einen der einem der populären Eifel-Krimis des Autors Jacques Berndorf erlangte die Ruine der Villa nach 1998 wieder etwas Aufmerksamkeit.
Die Villa war als Freundesgabe für Kanzler Konrad Adenauer (1876-1967, Bundeskanzler 1949-1963) gedacht und sollte diesem als Altersruhesitz, Jagd- und Gästehaus dienen. Wegen eines gewissen Geruchs nach Filz und Korruption und auch, weil der Altkanzler das Geschenk (deswegen?) nicht annehmen wollte, wurden die 1955 begonnenen Bauarbeiten bereits im Winter 1955/56 eingestellt.
Planung und Bau der Adenauervilla
Am 11. Juli 1955 wurde beim Landratsamt Prüm ein Antrag für den »Neubau eines Jagd-, Wochenend- und Gästehauses bei Duppach (Projekt LS 36/55)« von einem gewissen Baurat Spennrath gestellt. Nur erstaunliche zwölf Tage später, am 23. Juli 1955, wurde die Baugenehmigung erteilt.
Den Planungen nach sollten auf dem etwa 2000 Quadratmeter großen und erhöht im Wald gelegenen Grundstück eine aufwendige dreistöckige Villa – ein Bungalow, der zum Hang hin in ein dreigeschossiges Wohnhaus übergehen sollte – mit insgesamt 600 Quadratmetern Wohnfläche, einem atombombensicheren Keller sowie einem Hubschrauberlandeplatz auf dem betonierten Flachdach entstehen. Große Fenster sollten viel Tageslicht herein lassen und eine gute Aussicht ermöglichen. Neben einem Kamin im Innern sollte ein zweiter Außenkamin an der überdachten Terrasse entstehen.
Familiäre und freundschaftliche Verflechtungen, Korruptionsverdacht
Über den oder die künftigen Bewohner und den Verwendungszweck des riesigen Gebäudes wurde vor Ort zunächst nur spekuliert – allmählich jedoch wurden auch durch die Presse Informationen öffentlich, die das Bauvorhaben in einem zunehmend anrüchigen Licht erscheinen ließen.
Bauantragsteller war niemand geringeres als der Regierungsbaurat a.D. Dr. Ing. Friedrich Spennrath (1888-1959), von 1950 bis 1957 Präsident der Industrie- und Handelskammer Berlin und zugleich von 1947 bis August 1955 Vorstandsvorsitzender der »Allgemeinen Elektricitäts-Gesellschaft« (der 1996 aufgelösten AEG Aktiengesellschaft). Als dann auch noch bekannt wurde, dass der seit 1954 mit der Adenauer-Tochter Charlotte (»Lotte«, *1925) vermählte Architekt Heribert Multhaupt zusammen mit dem Kölner Architekten Horst Mathow die Planung und Bauleitung innehatte, wurde aus dem zunächst »AEG-Villa« genannten Bauwerk rasch die »Adenauervilla«.
Vor allem aber die freundschaftliche Verbundenheit von Friedrich Spennrath und Konrad Adenauer stellte sich als problematisch dar. Dass der »Großkapitalist« Spennrath vom SED-Generalsekretär Walter Ulbricht (1893-1973) als »Vertreter der aggressivsten Kreise des Monopolkapitals und des Junkertums« bezeichnet wurde, konnte dieser wohl – so wie es auch Adenauer bei ähnlichen Schmähungen tat – als nicht ungewöhnlich für die frühe Zeit der deutschen Teilung verschmerzen.
Die persönliche Nähe zweier wichtiger Persönlichkeiten der Nachkriegsgeschichte – des Regierungschefs Adenauer und des Wirtschaftsführers Spennrath – wurde jedoch auch in der Bundesrepublik kritisch beobachtet. So kommentierte das Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL bereits ein Jahr zuvor unter süffisanter Aufzählung sämtlicher Funktionen Spennraths die Quartierswahl Adenauers, der bei einem Berlin-Besuch Gast in dessen Grunewald-Villa war:
»Diese Villa (…) war taktisch schlecht gewählt, denn sie gehört dem Baurat Dr.-Ing. Friedrich Spennrath, der Vorsitzender des Vorstandes der AEG ist (… hier folgt die Aufzählung acht weiterer Funktionen, Verf. …) Der ostzonalen Propaganda wird es dadurch leicht gemacht, Adenauer erneut als »Knecht der Industrie-Barone« zu schmähen.« (DER SPIEGEL 1954)
Baustopp und weitere Geschichte
Nachdem Architekt Mathow schließlich zugegeben hatte, dass die entstehende »AEG-Villa« eigentlich als Geschenk für Konrad Adenauer gedacht war und die Presse über das Vorhaben offen als Korruptionsfall berichtete, wurden die Bauarbeiten im Winter 1955/56 umgehend eingestellt.
Obgleich »dem Alten das teure Geschenk ein allzustarkes Filz-Aroma hatte« und Adenauer »die Freundesgabe ausschlug« (www.roscheiderhof.de), ist bis heute nicht vollständig geklärt, inwieweit (und falls ja, ab wann) der Kanzler über die Planung der Villa Bescheid wusste. Auch Archivalien aus dem Adenauer-Nachlass – darunter Briefe, in denen die Villa erwähnt wird – lassen diesbezüglich keine endgültige Klärung zu.
Immer wieder ins Vergessen geraten, wird die Adenauervilla dennoch regelmäßig von Neugierigen aufgesucht, die sich für die Spuren der Anlage und die mit ihr verbundene besondere Episode der deutschen Nachkriegsgeschichte interessieren, einem »Schildbürgerstreich aus den frühen Tagen unserer Demokratie« (www.rundschau-online.de 2009).
Vermutlich nicht wenige der heutigen Besucher wurden wohl durch das 1998 erschienene Buch »Eifel-Jagd«, einem der populären Eifel-Krimis von Jacques Berndorf, auf die Villa aufmerksam gemacht. In der Kriminalgeschichte erklärt der Förster Hommes dem Ermittler Siggi Baumeister den Bau:
»Das also ist das sogenannte Adenauer-Haus. (…) Der Bau wurde ungewöhnlich rasch genehmigt und ebenso rasch hochgezogen. (…) Der Alte hat den Bau hier nie gesehen. Komisch ist, daß das Haus fast fertiggestellt und trotzdem sehr wenig weggetragen wurde, während es einsam vor sich hin verrottete. Normalerweise können die Eifler alles gebrauchen, aber hier ließen sie sogar die Heizkörper, den Ölofen und die Fensterrahmen unangetastet, es war eben für den ollen Konrad gedacht gewesen, und den beklaut man nicht.« (Berndorf 1998, S. 232-233)
Aktuelle Situation
Der fertige Rohbau, überwiegend aus Backsteinen errichtet, präsentiert sich als immer noch imposante Ruine, auch wenn diese heute einen eher »trostlosen Anblick (bietet). Hier bricht ein Kamin zusammen, dort hält sich eine windschiefe Mauer. Moose und Algen erobern die Wände, dicke Rostschichten halten Reste der Metallträger zusammen« (www.rundschau-online.de 2009). Die ursprünglich geplante Raumaufteilung des Gebäudes lässt sich nur noch erahnen, der Rohbau erlaubt heute keine weitergehenden Schlüsse mehr.
In einem im Oktober 2013 ausgestrahlten Bericht der WDR-Lokalzeit aus Bonn »Die vergessene Waldvilla« berichten die Architekten Roland Thelen und Elli Kleusch aus der Dokumentation im erhaltenen Nachlass des damaligen Duppacher Fortamtsrats von dem »verschwiegenen Ort, der etwas Unheimliches, Morbides, aber zugleich auch Faszinierendes an sich hat.« In dem Beitrag werden große Gästezimmer im Obergeschoss sowie immerhin drei Chauffeurszimmer im Untergeschoss des »Vorzeigeobjekts jagdbegeisterter Industriebosse« genannt. Beim plötzlichen Abrücken der Arbeiter seien die »Heizöltanks schon gefüllt« gewesen, allerdings sei die oft erwähnte Anlage eines Atombunkers und eines Hubschrauberlandeplatzes »reine Spekulation« (www1.wdr.de/mediathek).
Lage und Besichtigungsmöglichkeit
Die Ruine ist aus verschiedenen Richtungen über Waldwege zu erreichen, am einfachsten von der K 52 aus. (Anmerkung VIMUDEAP: genaue Koordinaten auf Anfrage, siehe FAQ.
Der Bau entzieht sich jedoch bereits den Blicken, wenn man sich weniger als 30 Meter entfernt befindet. Von der ursprünglich einmal intendierten guten Aussicht über die Eifelhöhen ist nichts zu erkennen – zu sehr ist die Villa inzwischen von allen Seiten zugewachsen.
Die Erkundung des frei zugänglichen Gebäudes ist indes nicht ungefährlich: In den Geschossböden befinden sich große Löcher und die Treppenaufgänge sind verfallen. Im Kellerbereich herrscht weitestgehend Dunkelheit und der aufgebrochene Stahlbeton mit den offenen Armierungseisen birgt eine nicht unerhebliche Verletzungsgefahr.
Neben einer Taschenlampe sollte man also festes Schuhwerk und eine stabile Kopfbedeckung (Bauhelm o.ä.) tragen, wenn man die Adenauervilla erkunden möchte.
(Franz-Josef Knöchel, 2012/13, 2015)
Im og. Artikel verwendete Quellen
Internet
www1.wdr.de/mediathek: »Die vergessene Waldvilla«, Lokalzeit aus Bonn vom 22.10.2013 (abgerufen 25.10.2013)
www.roscheiderhof.de, Kulturdatenbank: »Sogenannte Adenauer-Ruine«
(abgerufen 19.07.2011)
www.duppach.de: Geschichte (1955)
(abgerufen 02.07.2012)
www.rundschau-online.de: »Camp Konrad liegt in der Eifel«, Kölnische Rundschau, Euskirchen, vom 10.01.2009 (abgerufen 12.07.2012)
www.swr.de: Auf der Spur ... der Adenauer Villa (mit Filmaufnahmen der Villa)
(abgerufen 19.07.2011)
www.geoportal.rlp.de/portal/karten.html
(abgerufen 12.07.2012)
www.spiegel.de: »Panorama: Mit einem Stadtplan unter dem Arm…«, DER SPIEGEL, Nr. 10/1954, S. 3 (abgerufen 12.07.2012)
de.wikipedia.org: Friedrich Spennrath
(abgerufen 12.07.2012)
de.wikipedia.org: Duppach
(abgerufen 19.07.2011)
Literatur
Berndorf, Jacques. Eifel-Jagd, Kriminalroman (1. Auflage). Dortmund, 1998
Geografische Angaben
Koordinate auf Anfrage.
Rubrik
Wohnen
der Bau oder die Nutzung fallen in diese historischen Zeiträume
1945 - 1990Informationen über Zugänglichkeit, Zustand oder Nutzung (auch von Teilbereichen)
frei zugänglich,
Statistik
Im VIMUDEAP seit:  11/05/2015
letzte Änderung:  06.11.2015
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