Weingut I Mühldorf am Inn

Der "Mühldorfer Hart", das Waldstück im Bereich von Waldkraiburg, Ampfing und Mettenheim, stellte seinerzeit eine Rüstungsanlage gigantischen Ausmaßes dar. Noch heute kann man zahlreichen dieser Einrichtungen, bzw. Teilen davon,
begegnen.

Im wesentlichen handelt es sich dabei um eine Fertigungsstätte zur Produktion des Strahlenflugzeugs "ME 262", einem Projekt, das als "kriegsentscheidend" eingestuft war. Mehrere derartige Projekte waren im damaligen Dritten Reich vorgesehen, eines davon hier im Mühldorfer Hart, andere in Kaufering bei Landsberg.

In den letzten Kriegsmonaten wurde ersichtlich, dass daneben der Bunker bei Mühldorf eine weitere Funktion erhalten sollte: Insbesondere die bombensichere Bauweise, aber auch die Tarnung ließen die Halle als geeignet erscheinen zur sicheren Unterbringung von Maschinen und Kriegsmaterial bis zum Ende des Krieges.

Die Einlagerung hochwertiger technischer Maschinen und Geräte sollte diese von Kriegsschäden verschonen und so einem möglichst verlustfreien Übergangszeit zur Nachkriegszeit dienen. Bis Kriegsende konnten jedoch auch diese Planungen nicht mehr in die Tat umgesetzt werden.

Hier bei Mühldorf sollte unter dem Decknamen "Weingut I" die Inneneinrichtung für das Strahlenflugzeug in Serie produziert werden. Der dichte Wald der Umgebung bot dazu gute Möglichkeiten zur Tarnung, ebenso wirkte sich die Bahnlinie nach München mit dem Eisenbahnknotenpunkt Mühldorf sowie die Tatsache, dass im Mühldorfer Hart der Grundwasserpegel recht tief lag, günstig aus.
Um das gesteckte Ziel, die Produktion des Kampfflugzeugs, zu erreichen, wurden hier nicht nur die Produktionsstätte selbst, sondern auch zahlreiche Nebenbaustellen und Konzentrations- bzw. Zwangsarbeiterlager für die Häftlinge, die zum Bau eingesetzt wurden, errichtet.

Michael Aschenbrenner,  18.05.2005

Für den Text und in Vorbereitung auf die Tour habe ich folgende Websites genutzt. Gern kann diese Liste noch ergänzt werden! Michael

Die Geschichtswerkstatt Mühldorf e.V. geht auf unter dem Titel »Der Landkreis Mühldorf in der NS-Zeit« auf die Suche nach Spuren, Zeugnissen und Dokumenten der NS-Zeit:
www.geschichtswerkstatt.de

Eine sehr empfehlenswerte Seite (nicht nur wegen der zahlreichen historischen Fotos) ist die des Vereins »Für das Erinnern«, die sich um eine Gedenkstätte vor Ort kümmert.
www.kz-gedenk-mdf.de

Die Website der Grubenarchäologischen Gesellschaft hält zahlreiche Informationen zur Untertageverlagerungen der Rüstungsindustrie bereit:
www.untertage.com

Unter dem Titell "Bunkerbau in Bedburg" wird Weingut I als Vorbild für die geplante Anlage bei Bedburg im Zusammenhang mit der Organisation Todt genannt:
www.wisoveg.dea

Michael Aschenbrenner,  18.05.2005

Gern möchte ich Michaels Informationen ergänzen. Für die Anlagen WEINGUT I und WEINGUT II zitiere ich aus: Seidel/Sack/Klemp, Unterwelten, Edition Axel Menges, Ernst Wasmuth Verlag, Tübingen/Berlin, 1993. Im dritten Teil gehe ich kurz auf die Anlage LACHS ein.

Thomas Kemnitz,  26.05.2005

"In Mühldorf am Inn und in Landsberg am Lech finden sich die Relikte unterirdischer Flugzeugfabriken, die eine gigantische deutsche Kriegsmaschinerie in den letzten zwei Jahren des Zweiten Weltkriegs errichtete. Das größte »Wunderwaffenprojekt«, wie der Terminus der Nazipropaganda für die letzte Hoffnung des bereits untergehenden »Dritten Reiches« lautete, sollte in sechs riesigen, halbunterirdischen Produktionsstätten das Düsenstrahlflugzeug Me 262 bauen.

Die nach dem alliierten Luftbombardement zunächst eingeleitete Verteilung der Flugzeugproduktion auf über 700 kleine Produktionsstätten in Bergwerken, Straßen- und Bahntunneln ließ sich aus räumlichen, arbeitstechnischen und logistischen Gründen kaum realisieren. Ab 1943 wurden daher sechs jeweils 400 m lange, 100 m breite und etwa 30 m hohe stützenfreie Gewölbebunker projektiert, die als riesige Flugzeugfabriken mit bis zu acht Etagen angelegt waren. Die obersten Etagen hätten als bombensichere Flugplätze für die fertigen Düsenjäger dienen sollen.

Je aussichtsloser der Kriegsverlauf für Deutschland wurde, um so utopischer wurden die Rüstungsprojekte. Fast 10.000 Menschen sollten in jedem der vier Bunker in Landsberg und Mühldorf ab August 1945 rund um die Uhr an der Flugzeugproduktion arbeiten. Bevor im April 1945 amerikanische Truppen das Land besetzten, mußten allein auf der Baustelle in Landsberg über 20.000 Menschen arbeiten, davon waren die Hälfte Häftlinge der Konzentrationslager, die meisten anderen Kriegsgefangene und Verschleppte. Andere Quellen benennen allein 28.000 KZ-Häftlinge, die aus den umliegenden elf Lagern unter unmenschlichen Bedingungen zur Arbeit gezwungen wurden.

An Stelle eines Lehrgerüsts diente eine bis zu 50 m hohe Kiesaufschüttung als Schalung für das 5-7 m starke Betongewölbe. 800.000 cbm betrug der umbaute Raum eines Bunkers. Um solch ein Bauwerk ohne Innenausbau fertigzustellen, mußten über 1 Million cbm Erde bewegt werden. Eine meterhohe Tarnschicht aus bepflanzter Erde überzog den fertigen Teil des Bauwerks. 14 Stunden am Tag, 7 Tage in der Woche mußten die Zwangsarbeiter als Arbeitssklaven unter der Aufsicht von SS-Mannschaften für den vermeintlichen »Endsieg« Deutschlands schuften. Daß mehrere tausend von ihnen an den Anstrengungen, an Unterernährung, Seuchen und individuellem Terror der Bewacher starben, belegen die zahlreichen KZ-Friedhöfe in der Umgebung von Landsberg und Mühldorf oder aber, immer noch eher eine Ausnahme unter den deutschen Regionalmuseen, das Heimatmuseum Mühldorf, in dem ein engagierter Lehrer Zeitungsartikel, Aufzeichnungen und Photos auf eindrucksvolle Weise zusammengetragen hat.

Bei Kriegsende waren drei Bunker teilweise fertiggestellt, zu einer Flugzeugproduktion war es nie gekommen. Der 100 m breite und bis auf 100 m Länge gebaute Mühldorfer Bunker wurde zu zwei Drittel gesprengt und bildet heute ein mahnendes Monument gegen das menschenverachtende Nazi-Regime."

Quelle: Seidel/Sack/Klemp, Unterwelten, Edition Axel Menges, Ernst Wasmuth Verlag, Tübingen/Berlin, 1993, S. 129.

Thomas Kemnitz,  26.05.2005

"Anders als der Zwillingsbau in Mühldorf am Inn, der nur noch als Fragment vorhanden ist, wurde die in den letzten Kriegsmonaten im Bau befindliche unterirdische Flugzeugfabrik in Landsberg als militärische Anlage von der Bundeswehr übernommen.

Amerikanische Pioniere hatten sich 1945 mit Unterstützung sowjetischer Sprengstoffexperten vergeblich bemüht, die gigantischen Betonschalen zu sprengen. Was während des Krieges unter dem Tarnnamen »Weingut II« als bombensicherer Produktionsort für monatlich 900 Maschinen des Turbinenstrahl-Flugzeuges Me 262 geplant war, übernahm 1959 die Bundeswehr als Bunker für ihr Flugkörper-Waffensystem »Matador«.

Heute (1993 Anm. tk) dient der Bau als Luftwaffenmaterialdepot und Luftwaffenwerft elektronischer und optronischer Bordsysteme."

Quelle: Seidel/Sack/Klemp, Unterwelten, Edition Axel Menges, Ernst Wasmuth Verlag, Tübingen/Berlin, 1993, S. 129.

Thomas Kemnitz,  26.05.2005

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